Milchfieber
zielte genau. Er drosch den Gürtel über ihren Körper und traf mit der schweren Schnalle ihren Bauch, den Rücken und den Kopf. Lissy wimmerte, aber Horst konnte nicht mehr aufhören. „Das ist für das Milchfieber“, schrie er, als er immer wieder ausholte. „Milchfieber! Milchfieber! Milchfieber!“
Lissy versuchte zu fliehen, auf allen Vieren, aber Winkler sah mitleidlos auf das winselnde Bündel und trat entschlossen mit aller Kraft zu. Immer und immer wieder holte er mit seinem Bein aus. Es war ihm egal, wo er sie traf, er wollte sie wimmern hören. Lissy sollte büßen für alles, was sie ihm angetan hatte. Als Lissy sich nicht mehr wehrte und auch nicht mehr bewegen konnte, brach Horst Winkler zusammen. Er warf sich auf sie, schluchzte und nahm sie in den Arm. Er wusste nicht, ob sie noch lebte, sie war blutig und warm und lag leblos in seinen Armen. „Lissy“, schluchzte er. „Lissy.“ Als sie sich wieder zu regen begann, umschloss er ihren Hals mit seinen Händen. Erst zögerte er, dann drückte er zu. Bis sie sich nicht mehr bewegte.
Kapitel 36
Am nächsten Morgen stand Klaus in der Küche. Horst Winkler sah ihn erstaunt an: „Wo kommst du denn her?“
Sein Bruder antwortete nicht. Mit Entsetzen sah Winkler, dass Klaus’ Gesicht voller blauer Flecken war.
„Warst du das gestern Nacht?“ fragte er leise. Er befürchtete das Schlimmste.
Klaus nickte: „Lissy hat mich auf der Straße gesehen, als ich nach Hause laufen wollte. Ich bin entlassen worden.“
„Hast du gesehen, was passiert ist?“
„Alles weg“, sagte Klaus leise. „Und Lissy ist tot.“
„Weißt du, wie es passiert ist?“, fragte Winkler leise.
Klausi Winkler nickte und dabei färbte sich seine Hose dunkel.
Der Anruf von der Bank erreichte Horst Winkler am Vormittag. Er möge bitte so schnell wie möglich vorbeikommen, man habe schon den ganzen Tag versucht, ihn zu erreichen, aber leider habe man keine Handynummer von ihm gehabt… sagte die freundliche Frau der Bank, die er vom Schalter kannte. Er konnte sich nie ihren vollständigen Namen merken, wusste nur, dass ihr Vorname Claudia war.
Claudia von der Fecht bat Winkler sofort in einen Besprechungsraum und als sie ihm erzählte, was in den letzten Tagen geschehen war, begann er zu weinen.
„Ihre Frau“, eröffnete sie das Gespräch, „hat ihr Konto bis zur Grenze des Kontokorrent belastet. Sie hat sich den gesamten Betrag auf einmal auszahlen lassen. Ich habe mir gedacht, dass es sehr komisch ist, wo sie noch“, sie räusperte sich und fuhr fort „wo sie noch nicht wieder zu Hause sind, aber ich durfte nichts unternehmen. Sie hat schließlich Kontovollmacht.“
„Und das Sparbuch?“, fragte Winkler zaghaft. Noch nicht einmal Klausi wusste von der Existenz des Sparguthabens, das er, als seine Mutter gestorben war, unter ihren Papieren gefunden hatte. Sie hatte über viele Jahre eisern jeden kleinen Betrag, den sie entbehren konnte, zur Bank gebracht. Als sie starb, hatte sie über zehntausend Euro zusammengespart. Im Überschwang seiner Liebe zu Lissy und im Gefühl, alles teilen zu wollen, hatte er sie kurz nach ihrer Hochzeit in das Geheimnis eingeweiht. Das solle sie haben, wenn ihm mal etwas passieren würde, hatte er ihr gesagt, dann würde sie nicht in Not kommen. Der allerletzte Notgroschen!
Wie lieb er sei, hatte sie erwidert. Sie hatte das Sparbuch an sich genommen und zu ihren persönlichen Sachen gelegt. Winkler war einverstanden gewesen.
Lissy hatte von Anfang an das Kommando über die Finanzen übernommen. Sie hatte Winkler davon überzeugt, dass Frauen die besseren Haushälter seien und polnische Frauen sowieso. Das läge in ihren Genen, hatte sie gesagt, die Polen und vor allen Dingen die Polinnen seien eben nun mal sparsam. Winkler hatte sich nicht ungern unter ihre Knute begeben, tatsächlich schien plötzlich immer Geld da zu sein. Sie hatte ihm Taschengeld zugebilligt und die Bankkarte abgenommen. Sein Bruder Klausi hatte sich noch nie für die Finanzen interessiert und war zufrieden, als Lissy ihm jeden Monat fünfzig Euro zusteckte. Das war mehr, als er ausgab. Aber als der alte Wagen von Winklers nicht mehr vom TÜV abgenommen wurde, trickste Winkler seine Frau trotzdem aus. Mit sehr schlechtem Gewissen.
Man hatte sich schnell geeinigt, dass Winkler einen Gebrauchten kaufen solle, einen Golf oder vielleicht auch einen Opel, hatte Lissy gemeint. Nur nicht zu teuer, hatte sie ihm eingeschärft, als er losgezogen war, um bei den
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