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Milchgeld: Kluftingers erster Fall

Milchgeld: Kluftingers erster Fall

Titel: Milchgeld: Kluftingers erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kobr , Volker Klüpfel
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irgendwie geheimnisvoll aussah. Er hatte dunkle Augen und buschige, schwarze Augenbrauen. Das wusste sie noch. Auch seine Haare waren dunkel und dicht. Außerdem war er sehr groß gewesen, das war ihr aufgefallen. Elfriede Sieber hatte dann schleunigst zugesehen, dass sie aus der Wohnung kam, denn sie wollte nicht, dass Herr Wachter dachte, sie würde spionieren.
    Sie wusste auch nicht, warum ihr das erst jetzt einfiel, aber so war es nun einmal im Alter, rechtfertigte sie sich vor sich selbst. Nun stand aber der Mann nur wenige Meter von ihr entfernt und wirkte seltsam abwesend. Er passte irgendwie nicht auf eine Beerdigung. Sie wusste erst nicht, warum, dann fiel es ihr auf: Er sah kein bisschen traurig aus.
    Was sollte sie jetzt tun? Frau Sieber fielen die Worte wieder ein, die ihr der Kommissar eingebläut hatte: Alles, was ihr einfällt solle sie ihm mitteilen, auch wenn es ihr noch so unwichtig erscheine. Das erschien ihr nun aber überhaupt nicht unwichtig.
    Der Kommissar! Natürlich, er war doch auch auf der Beerdigung. Beim Verlassen der Kirche hatte sie ihn gesehen. Sie blickte sich suchend um. Wo stand er nur? Bei den nächsten Verwandten und Bekannten, die sich ganz vorne am Grab versammelt hatten, gleich neben dem Sarg, jedenfalls nicht. Auch bei ihren Bekannten konnte sie ihn nicht … da! Jetzt sah sie ihn. Er stand auf der gegenüberliegenden Seite des Grabes, links, etwas hinter den anderen Trauergästen. Er blickte von ihr aus gesehen nach rechts, Richtung Regenbogen. Ob er den Mann auch erkannte …? Nein, verwarf sie den Gedanken gleich wieder, er wusste ja gar nichts von ihm.
    Wie sollte sie ihm aber mitteilen, dass der Mensch, der etwa 20 Meter von ihm entfernt stand, eine eingehendere Betrachtung verdiente? Der sollte das ja schließlich nicht mitbekommen.
    Elfriede Sieber fiel nichts Besseres ein: Sie hob ihre Hand, an der ihre Tasche baumelte, etwa bis zur Hüfte, hielt sie ganz nah am Körper – und winkte.
    Kluftinger musste die Augen etwas zusammenkneifen, um den Ursprung der Bewegung zu identifizieren. Er erkannte die Frau, von der das Winken ausging. Es war Wachters Haushälterin. Wie hieß sie doch gleich noch mal? Biber oder Sieber, glaubte er sich zu erinnern. Und diese Frau – der Vorname fiel ihm nun wirklich nicht mehr ein – stand am Grab ihres Ex-Chefs und winkte. Es war ein bizarres Bild, die zierliche Frau mit ihrem kleinen Hütchen, dem dunklen Mantel und dem ekstatischen Winken. Kluftinger drehte sich um. Dort stand niemand. Jetzt erst merkte er es: Sie winkte ihm! Als ihm das bewusst wurde, fingen seine Wangen an zu glühen.
    Es war ihm schrecklich peinlich. Er hatte sich ja nicht umsonst etwas abseits gestellt. Er wollte nicht bemerkt werden. Und jetzt das. Er nickte leicht mit dem Kopf, die Augen dabei ruckartig nach links und rechts bewegend um sicherzugehen, dass noch niemand ihr Winken bemerkt hatte.
    Als er seinen Blick wieder nach vorn richtete, wurde er blass. Sie winkte immer noch. Priml.
    Der Pfarrer stimmte gerade das Scheidegebet an und die Umstehenden senkten die Köpfe, um in den monotonen Chor einzustimmen. Kluftinger nutzte diesen Moment, um seine Hand ganz leicht nach oben zu kippen und drei-, viermal mit ihr hektisch hin und her zu wischen. Mit diesem angedeuteten Zurück-Winken würde sich die Haushälterin zufrieden geben und ihn in Ruhe lassen, hoffte er.
    Und für einen kurzen Moment sah es tatsächlich so aus. Doch als die Köpfe sich mit einem »… das ewige Licht leuchte ihm, Amen« wieder hoben, hatte Sieber zwar zu winken aufgehört, schaukelte nun aber nicht minder auffällig mit ihrem Kopf hin und her. Dabei behielt sie den Kommissar stets im Blick.
    Kluftinger spürte, wie ihm allmählich heiß wurde. Konnte diese Person nicht einfach aufhören, ihm irgendwelche Zeichen zu geben? Er sah, dass die ältere Dame, die neben der Haushälterin stand, bereits darauf aufmerksam geworden war. Und schnell hatte sie auch Kluftinger als das Ziel ausgemacht. Jetzt wurde es ihm aber zu bunt. Er bekreuzigte sich und senkte seinen Kopf wie zu einem stillen Gebet. Nach ein paar Sekunden rollte er die Augen so weit nach oben, dass es weh tat. Er war erleichtert, denn er konnte erkennen, dass Elfriede Sieber jetzt ganz still dastand. Er seufzte und hob den Kopf. Wie auf Stichwort fing ihr Kopf wieder an zu wackeln. Unter anderen Umständen hätte Kluftinger bestimmt lachen müssen, so komisch sahen die Bewegungen der Haushälterin aus: Sie schob ihren

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