Milchgeld: Kluftingers erster Fall
im Unternehmen die Oberhand zu gewinnen. Der Kommissar war gespannt, was er erfahren würde.
»Wachter hatte im Labor eine Möglichkeit entwickelt, den Reifeprozess von verschiedenen Milchprodukten wie Joghurt, aber auch von Hart- und Weichkäse erheblich zu beschleunigen. Das war damals natürlich eine Sensation. Es ging nicht um ein paar Tage, es handelte sich um ein absolutes Expressverfahren zur Käseherstellung. Ich kenne mich nicht zu gut bei den chemischen Details aus, aber ich habe mich damals etwas damit beschäftigt, weil auch wir mit dem Gedanken spielten, die Methode einzuführen.«
Peter Schönmanger kochte innerlich, hielt sich aber mit einer r Äußerung noch zurück.
»Wodurch wurde denn diese Beschleunigung erreicht?«
»Es handelte sich um auf irgendeine Weise veränderte Bakterienkulturen, fragen Sie mich aber bitte nicht nach Details. Die Kulturen waren speziell gezüchtet, da müssen Sie sich an einen Experten wenden. In der Fachliteratur aber wurde diese Methode als Revolution, als Königsweg der modernen und effektiven Milchverarbeitung gefeiert. Zunächst war von Nachteilen nicht die Rede, nur von enormen Kostenvorteilen. Stellen Sie Sich vor, was das bedeutete: Das waren auch für mittelständische Unternehmen Einsparungen in großer Höhe, man konnte nach wenigen Tagen oder Wochen die Produkte verkaufen, der Reifeprozess war Ruck Zuck erledigt.«
Kluftinger war baff. Er konnte nicht mehr tun, als Schönmanger zum Weiterreden aufzufordern. Der Sohn hatte unterdessen wild schimpfend den Raum verlassen.
»Kurz nach der Markteinführung gab es Schwierigkeiten: Die Produkte machten Probleme mit der Gesundheit, gerade bei alten und immunschwachen Menschen. Die hatten große Magen-Darm-Probleme. Keine Ahnung, warum das bei den Tests im Vorfeld nie aufgefallen war. Dann wurde alles aus dem Verkehr gezogen, die Firma verlor massenhaft Aufträge und war natürlich ab sofort indiskutabel. Und Wachter verlor damals seinen Job.«
Das war also der geheimnisumwitterte Skandal, von dem so viele redeten. Aber wie war Wachter nach seiner Entlassung nach Krugzeil gekommen? Kluftinger musste nicht nachfragen, denn Schönmanger erzählte von sich aus weiter:
»Ich erfuhr, dass Wachter damals verzweifelt Arbeit suchte. Ein Labor hätte ihn nicht mehr eingestellt. Nicht auszudenken, wenn ein solcher Fall, vielleicht mit schlimmeren Konsequenzen, noch einmal vorgekommen wäre, dann wäre es nicht möglich gewesen, alles einigermaßen unter der Decke zu halten. Die hatten Angst um ihren Ruf, auch wenn Wachter etwas konnte, sie hätten ihn nicht eingestellt. Er hatte ja auch nicht sauber gearbeitet, nicht sauber getestet. Manche unterstellten ihm sogar, er hätte Testergebnisse bewusst zurückgehalten. Aber das glaube ich bei ihm wirklich nicht. Tja, er suchte verzweifelt und wir suchten verzweifelt. Uns ging es damals nicht rosig. Wir hatten eine klassische Produktpalette und waren ein kleines Licht, gerade als das Sterben der kleinen Betriebe einsetzte und sich die großen Fabriken alles unter den Nagel rissen. Die ganzen neuen Sorten, viele verschiedene Geschmacksrichtungen waren Ende der Siebziger der Trend schlechthin. Es ging nicht mehr um einfache, gute Produkte, es ging darum, zu günstigen Preisen möglichst viele neue Käsesorten anzubieten. Die Fooddesign-Welle lief damals richtig an. Wir mussten auf diesen Zug aufspringen, bevor es zu spät war. Und Wachter war unsere Chance.«
»Und Sie kamen ohne Probleme gleich zusammen, Sie und Wachter?«, fragte der Kommissar, der mehrere ruhige Minuten brauchen würde, um das alles nochmals zu durchdenken.
»Wie gesagt, sein Marktwert war so weit gesunken, dass wir ihn uns leisten konnten. Wir mussten trotzdem noch alles zusammenkratzen, um eine Entwicklungsabteilung einzurichten, die diesen Namen verdient. Wir hatten das bis dahin nicht. Für uns hieß es entweder investieren und entwickeln oder von den Großen gefressen werden. Wir mussten alles auf eine Karte setzten, die Geier kreisten schon. Diese Karte war ein Lebensmitteldesigner und hieß Phillip Wachter. Er war am Ende und wir gaben ihm die Möglichkeit, in seinem Beruf zu arbeiten. Und er wusste auch um seine Wichtigkeit für uns.«
Schönmanger hielt inne. Er wirkte erschöpft. »Den Rest kennen Sie schon, nun wissen Sie auch um die Vorgeschichte. Und ich kann nur betonen, dass er für uns nicht von Schaden, sondern von großem Nutzen war. Sicher, alle in der Branche beäugten uns anfangs auch
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