Milchrahmstrudel
11‹.«
»Ach, Fanni«, seufzte Sprudel. »Was versprichst du dir davon, an Hannos Wohnung vorbeizuspazieren?« Er warf ihr einen scharfen Blick zu. »Du willst doch nicht etwa einbrechen?«
Fanni schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht. Ich möchte nur nachsehen, ob sein Haus zu seinem Wagen und zu seinen Anzügen passt.«
Es passte.
In der Zugspitzstraße gab es ausnahmslos hübsche Häuser – großzügig, gepflegt, gediegen.
Nummer 11 zeigte sich als eines der großzügigsten, gepflegtesten, gediegensten. »Ida und Erwin Hanno« stand auf einem wie eine Blüte geformten Keramikschild, das an der Granitsäule neben dem schmiedeeisernen Gartentor angebracht war.
Fanni und Sprudel schlenderten daran vorbei und an der Gartenmauer entlang bis zum Nachbargrundstück.
Dort blieb Fanni stehen. »Man sollte mit Ida ein Schwätzchen halten.«
Sprudel zog eine Augenbraue hoch. »Du willst klingeln?«
Fanni nickte.
Sprudels zweite Augenbraue folgte. »Und wenn Hannos Frau öffnet, willst du sagen: ›Hallo, Ida, halten wir ein Schwätzchen?‹«
»Ich werde jemanden zu sprechen verlangen«, entgegnete Fanni. »Kaspar Friedrich.«
»Kaspar Friedrich?«
»Ich werde so tun«, erklärte Fanni und machte sich auf den Weg zurück, »als hätte man mir Kaspar Friedrichs Adresse mit ›Zugspitzstraße 11‹ angegeben.«
Sprudel folgte ihr bis zu einem überhängenden Ast an der Mauer. »Ich warte lieber hier auf dich.«
Fanni zögerte, verhielt den Schritt. Doch dann sagte sie zustimmend: »Du hast recht. Es wird wohl besser sein, wenn wir nicht zu zweit aufkreuzen.«
Forsch eilte sie auf die Gartenpforte zu, drückte kühn die Klinke hinunter und trat ein. Sie hatte erst ein kleines Stückchen des gepflasterten Weges, der aufs Haus zuführte, hinter sich gebracht, als sie von rechts eine Stimme hörte. »Da ist niemand daheim.«
Fanni wandte sich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Hinter einer Grundstücksbegrenzung aus bogenförmig geschwungenen Holzelementen entdeckte sie eine ältere Frau, die dabei war, ihre Tomatenpflanzen zu düngen. Eine lange Reihe entsprechend bestückter Töpfe zog sich an einem Mäuerchen auf dem Nachbargrundstück entlang.
»Ich dachte …«, begann Fanni zögernd.
Die Nachbarin war an den Zaun herangetreten. »Den Tag der offenen Tür haben die am Donnerstag. Und auch da erst ab halb sechs.«
»Ich weiß«, entgegnete Fanni nun mit fester Stimme. »Aber ich hatte gehofft, Ida trotzdem anzutreffen.«
Die Nachbarin sah sie vorwurfsvoll an. »Die Ida arbeitet doch jeden Tag von acht bis fünf. Die ist doch Geschäftsführerin in der Firma von ihrem Vater.«
Während die Frau redete, hatte Fanni den Blick über die Fassade des Hauses gleiten lassen.
Kostspielig!
»Ich wusste gar nicht, dass der Erwin und die Ida so ein schönes Haus haben«, sagte sie in das plötzlich entstandene Schweigen.
»Arm sind die nicht«, meinte die Nachbarin daraufhin, und es klang ein bisschen neidisch.
»Erwin scheint ja recht gut zu verdienen«, sagte Fanni.
»Der?« Die Nachbarin machte eine wegwerfende Handbewegung. »Der könnte sich allein nicht mal ein Gartenhäuschen leisten.« Sie streckte den Zeigefinger durch einen der rautenförmigen Zwischenräume des Zauns, um besser auf Hannos Haus deuten zu können. »Das ganze Geld kommt vom Schwiegervater. Der besitzt nämlich eine Drogeriekette.«
Sie schien einen Augenblick mit sich zu kämpfen, dann siegte offenbar die Gehässigkeit. »Und deswegen kann der Hanno auch daherkommen, als wär er ein Bankdirektor. Dabei ist er bloß Altenpfleger, der Hanno.«
»Sie mögen ihn nicht«, stellte Fanni fest.
Die Nachbarin bog die Mundwinkel nach unten. »Mir ist der Dickwanst eine ganze Portion zu aufgeblasen.« Damit wandte sie sich wieder den Tomatenpflanzen zu, und Fanni blieb nichts anderes übrig, als den Rückzug anzutreten.
Sprudel stand wartend unter dem überhängenden Ast.
Während Fanni ihm kurz Bericht erstattete, gingen sie langsam weiter und schwenkten, ohne darauf zu achten, wohin sie sich wandten, in die Alpspitzstraße ein.
»Hanno lebt also tatsächlich auf viel größerem Fuß, als es sein Gehalt erlauben könnte«, sagte Sprudel.
»Eindeutig«, antwortete Fanni. »Aber nach dem, was die Nachbarin über seinen Schwiegervater verlauten ließ, muss das nicht unbedingt heißen, dass Hanno seinen hohen Lebensstandard durch kriminelle Geschäfte finanziert.«
Sprudel blieb stehen und sah sie an.
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