Milchrahmstrudel
wohin er sich verzogen hat und warum er nichts von sich hören lässt, dann melde ich ihn ganz offiziell als vermisst. Wozu hat man schließlich einen Freund, der Kriminalkommissar ist«, fügte er salopp hinzu.
»Roland hat eine Ansichtskarte an Schwester Monika geschrieben«, erzählte ihm Fanni.
»Lange schwarze Haare, dunkle Augen, Stupsnase?«, fragte Roland.
Fanni sah ihn verwirrt an.
»Die Schwester natürlich«, half Jonas ihr auf die Sprünge.
Fanni nickte und berichtete ihm, was auf der Karte stand. »Angeblich«, fügte sie an, »ist mit gleicher Post ein Schreiben von Roland an die Verwaltung der Katherinenresidenz eingetroffen, in dem er mitteilt, dass er sich für den Rest des Sommers freinimmt.«
»Auf eine Berghütte hat er sich verpisst …«, murmelte Jonas.
»Im Toten Gebirge, ja«, ergänzte Fanni. »Er ist aber gar nicht dort.«
»Er ist gar nicht …? Woher …? Wieso …?« Jonas war dermaßen ins Stottern geraten, dass er es vorzog zu verstummen.
»Ich …«, begann Fanni zögernd, fuhr aber dann mit fester Stimme fort: »Ich war vergangenes Wochenende zufällig auf dieser Hütte, und weil ich von der Karte an Schwester Monika wusste, habe ich dort nach Roland gefragt.«
Jonas pfiff durch die Zähne. »Kein Wort zu seinen Freunden, kein Wort zu Frau Bachl – die habe ich schon am Freitag angerufen – und eine Karte, die Schwester Monika hinters Licht führen soll. Da stinkt doch was, Frau Rot!«
Fanni schluckte. Jonas hatte ja keine Ahnung, wie sehr es stank. Sollte sie ihm von einem blutbesudelten Roland auf der Hintertreppe erzählen? Sie entschied sich dagegen.
»Du solltest ihn schleunigst als vermisst melden«, sagte sie stattdessen. »Dann kann Marco von Amts wegen Nachforschungen anstellen.«
Und ich werde bei ihm eine Aussage machen, dachte sie entschlossen.
Jonas nickte. »Okay, ich fahre zu Marco ins Kommissariat. Da drin«, er deutete mit dem Daumen zum Hauptgebäude der Katherinenresidenz hinüber, »brauche ich ja wohl nicht mehr nachzufragen.«
Er wollte schon seine Autotür öffnen, doch Fanni hielt ihn noch zurück. »Stimmt es, dass Roland mit sämtlichen Schwestern …?« Sie wusste nicht weiter.
»Gevögelt hat?«, fragte Jonas.
Fanni nickte lahm.
Jonas stützte lässig den Ellbogen aufs Autodach. »Die Antwort ist vermutlich Ja. Aber Sie dürfen sich das nicht falsch vorstellen, Frau Rot.«
»Und wie stelle ich es mir richtig vor?«
Jonas verzog das Gesicht zu einem schiefen Lächeln. »Ich weiß nicht, ob ich Ihnen das erklären kann.«
»Du könntest es versuchen«, bat Fanni.
Jonas rieb sich die Stirn. »Schaun Sie, Frau Rot, der Roland ist kein Schürzenjäger. Er ist einfach nur … nett. Nett, aufmerksam, charmant. Und deshalb fliegen die Frauen auf ihn – alle. Sogar Ihre Tante Luise, darauf wette ich.«
»Sie will ihn unbedingt zurückhaben«, sagte Fanni lächelnd.
»Sehen Sie«, erwiderte Jonas, »alle, wie gesagt. Aber glauben Sie mir, Roland legt es überhaupt nicht drauf an. Andererseits sagt er aber auch nicht Nein, wenn’s um ein Rendezvous geht, um ein Treffen zum Kaffee, um einen Kinoabend. Und wenn dann seine Begleiterin unbedingt will, dass er noch mit zu ihr kommt oder sie zu ihm, ja, dann kann er sie doch nicht einfach abweisen.«
»Verstehe«, erwiderte Fanni. »Roland hatte – ähm – hat Verführungskniffe nicht nötig.« Sie sah Jonas forschend an. »Muss es da nicht eine Menge Eifersüchteleien gegeben haben?«
Jonas wiegte den Kopf. »Was sich die Schwestern untereinander an den Kopf werfen, weiß ich nicht. Aber in unserem Freundeskreis gibt es wegen Roland nie Knatsch.«
Fanni schwieg und wartete, dass er weitersprach.
Nach ein paar Augenblicken fügte er hinzu: »Das liegt wohl daran, dass Roland alle Weibsbilder gleich behandelt, keine sichtbar bevorzugt.«
Jonas starrte eine Weile auf einen Mauervorsprung der Katherinenresidenz, dann stieß er plötzlich hervor: »Die Karte kann nicht echt sein. Sie ist deshalb nicht echt, weil Roland nicht nur an Schwester Monika allein geschrieben hätte, sondern an alle Schwestern zusammen. ›Liebe Kolleginnen, liebe Mädels, ihr Lieben …‹ Was weiß ich.«
Fanni überließ Jonas eine Zeit lang seinen Gedanken, dann sagte sie: »Mit dem Pflegedienstleiter kommt Roland anscheinend viel weniger gut aus als mit dem weiblichen Personal in der Katherinenresidenz.«
Jonas’ Mundwinkel zogen sich abfällig nach unten. »Erwin Hanno? Über den spricht Roland nur ganz
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