Milchrahmstrudel
beim Personal der Katherinenresidenz besondere Anstrengungen im Pflegedienst mit einem Aufenthalt im Wellnesshotel prämiert?«
Tante Luise lachte sich schlapp. »Wie in meiner Schulzeit, erste Klasse. Wer die schönsten O malt, kriegt ein Gutzetterl. Für zehn Gutzetterl gibt’s ein Heiligenbild. Nein, so läuft das hier nicht, Fanni. Und wenn, dann wüssten alle davon. Die Schwestern würden sich gegenseitig überbieten, um an so ein Dingswochenende zu kommen. Sie machen ihre Arbeit, Punkt, Schluss, aus. Der Einzige, der immer mehr tat, als er musste, war …«
»Roland«, brachte Fanni den Satz zu Ende und registrierte, dass inzwischen auch Luise von dem Pfleger, den sie so schätzte, in der Vergangenheitsform sprach.
»Und du bist sicher«, fragte sie nach einer versonnenen Pause, »dass Schwester Inge hier in der Katherinenresidenz keine besonderen Aufgaben übernommen hat, Funktionen, die besonders honoriert werden?«
»Quatsch«, antwortete Luise. »Ausgerechnet Schwester Inge. Das ist doch die Nachlässigste von allen. Die hat immer Zeit, sich an die Tischkante zu lehnen und einem Löcher in den Bauch zu fragen. Für alles interessiert sich die. Für jeden Furz, egal ob von vorhin oder von vor fünfzig Jahren. Roland hat sie immer ›unsere Verhörexpertin‹ genannt.«
Fannis Augen weiteten sich. »Soll das heißen, sie horcht die Bewohner der Katherinenresidenz systematisch aus?«
»Wie sagen sie in den Fernsehkrimis immer so schön?«, erwiderte Tante Luise. »Nicht nachweislich! Schwester Inge unterhält sich halt gern mit ihren Schutzbefohlenen, interessiert sich für ihre Belange.«
»Und was sie erfährt«, sagte Fanni nachdenklich, »das gibt sie an jemanden weiter, der sie mit einem Wochenende im Dilly’s dafür bezahlt.«
Luise pfiff durch die falschen Zähne. »An dir ist ja eine Miss Marple verloren gegangen, Fanni.«
Fanni wedelte Luises Bemerkung mit der Hand weg, um den Faden nicht zu verlieren. »Hat Roland Becker Schwester Inges Mitteilungen in Form von Kürzeln in sein Notizbuch eingetragen?«
»Und sie dafür bezahlt?«, fragte Luise. »Mit Aufenthalten im Nobelhotel? Hätte er sich das denn leisten können?«
»Mit seinem Gehalt als Pfleger wohl kaum«, antwortete Fanni. Mehr zu sich selbst sprach sie leise weiter: »Aber es gibt einen in der Katherinenresidenz, der offensichtlich genug Geld für Extravaganzen hat.« Dann sagte sie laut zu Tante Luise: »Die Kürzel, hast du darüber nachgedacht?«
Luise glättete den Bogen Papier, den sie zusammengerollt wie einen ägyptischen Papyrus auf dem Schoß gehalten hatte. »Gä, Ma, Pu, Pi. Ich habe die halbe Nacht darüber nachgedacht. Aber mir fallen nicht einmal Wörter ein zu diesen Abkürzungen. Außer zu Pi. Pi wie Pillen.«
»Pillen«, wiederholte Fanni. »Es könnte sich also doch um Medikamente handeln. Lass mich mal überlegen.«
Sie starrte eine Weile mit gerunzelten Brauen auf das, was sie tags zuvor aus dem Gedächtnis hingeschrieben hatte.
»Ich glaube, ›Pi‹ stand unter fast allen Namen und hinter dem Schrägstrich daneben Zahlen von hundert bis tausend.«
Tante Luise wirkte auf einmal geistesabwesend. »Bonner … Bonner hat mir einmal von einer Frischzellenkur erzählt, die er sich geleistet hat. ›Bringt neuen Schwung für Körper und Geist‹, hat er zwinkernd gesagt und: ›Gibt’s aber nicht bei Aldi für zwei Euro neunundneunzig.‹«
Fanni sog scharf die Luft ein. »Das könnte passen. Mittelchen gegen das Altern – Stärkungsampullen, Pflanzenextrakte, Vitaminpräparate, das Zeug ist sicherlich gefragt. Aber Ginseng und Co ist teuer. Da kommen leicht mal ein paar hundert Euro zusammen.«
»Mag sein«, sagte Luise. »Aber es ist doch nicht verboten, so was einzunehmen.«
»Und ebenso wenig dürfte es verboten sein, Bewohner eines Seniorenheims damit zu versorgen«, stimmte ihr Fanni zu. »Außer man würde die Kunden übervorteilen und sich dabei über Gebühr bereichern.«
»Meinst du, Roland hat das getan?«, fragte Luise.
Fanni sah sie an. »Das müssen wir irgendwie herauskriegen.«
Da lächelte Tante Luise spitzbübisch und drückte auf den Klingelknopf. »Holen wir uns doch mal eine der Schwestern her und melden Bedarf an gewissen Pülverchen an. Es ist sowieso höchste Zeit für eine frische Pampers.«
Als sich die Zimmertür öffnete, bauschten sich die Gardinen im Wind. Fanni stand auf und schloss die Balkontür.
Du musst dich besser vorsehen. Hattest du nicht neulich schon den
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