Miles Flint 01 - Die Verschollenen
schüttelte den Kopf.
DeRicci sah ihm in die blauen Augen. Ein klares Blau unter langen Wimpern. Auch das war ihr vorher nie aufgefallen.
»Sie werden das noch bedauern«, sagte sie, als sie die Tür öffnete.
»Irgendwie glaube ich, dass Sie sich irren«, entgegnete Flint und ging.
32
D ie Büroräume von Data Systems erinnerten Flint an Palomas Büro. Sie befanden sich im selben Teil der Stadt, und die Fassade des Gebäudes war ebenso verschmutzt und zerfallen. Ihre Sicherheitseinrichtungen waren nicht ganz so gut versteckt wie die von Paloma, vermutlich, weil sie wussten, dass ihre verzweifelten und ängstlichen Klienten nach den Sicherheitssystemen zuerst Ausschau halten würden.
Flint hatte beinahe eine Stunde gebraucht, aber er hatte es geschafft, sich an der Empfangsdame und zwei untergeordneten Managern vorbeizureden. Nun befand er sich tief im Inneren des Lagerhauses, in dem die Belegschaft von Data Systems den größten Teil ihrer Arbeit verrichtete.
Der Aufbau der Räumlichkeiten verriet ihm bereits, dass das Archiv des Unternehmens – so es eines gab – außerhalb dieses Gebäudes untergebracht sein musste, und er nahm an, dass besagtes Archiv noch schwerer zu finden sein dürfte als dieses Haus.
Flint saß in einem großen, fensterlosen Büroraum. Die Wände waren mit Straßenszenen aus diversen Städten dekoriert, alles Städte auf der Erde. Er erkannte New York und Paris, aber einige der anderen Städte, die sich offenbar auf dem flachem Land befanden, wo die Sonne heller zu sein schien und die alten Gebäude aussahen, als wären sie aus Lehm erbaut worden, waren ihm vollkommen fremd.
Die Bilder brachten ihm zu Bewusstsein, dass er in all seinen Lebensjahren nie den Mond verlassen hatte. Ein einfacher Pendlerflug zur Erde, ein Aufenthalt von einer Woche, und er hätte vielleicht all die Wunder selbst sehen können, von denen er nur gelesen hatte. Er hatte es nicht einmal versucht.
Es gab sogar Kuppeln auf dem Mond, die er nie aufgesucht hatte. Er hatte sich zu sehr von seinem Leben in Anspruch nehmen lassen – erst davon, eine Familie zu ernähren, und dann, als er sie verloren hatte, davon, Detective zu werden.
Wie klein sein Leben doch gewesen war.
Eine Frau betrat das Büro und schloss die Tür. Sie war schlank, fast schon hager, und sie hatte trotz ihrer beachtlichen Modifikationen dunkle Ringe unter den Augen.
»Meine Mitarbeiter haben mir erzählt, Sie hätten mir einen Vorschlag zu unterbreiten, Detective«, sagte sie, als sie sich auf den Schaukelstuhl in der Nähe der Pariswand setzte. Das also war Colette Bannerman, Leiterin von Data Systems. Flint hatte nicht mit einer so zerbrechlich wirkenden Person gerechnet.
»Ich bin kein Detective mehr, Mrs. Bannerman.« Er setzte sich ihr gegenüber auf einen eckigen Stuhl, der, wie sich herausstellte, deutlich bequemer war, als er aussah.
»Ich weiß«, entgegnete sie. »Wir haben das überprüft.«
Was vermutlich auch der Grund war, warum sie ihn überhaupt so weit hatten vordringen lassen.
»Sind Sie hier, um sich für einen Job zu bewerben?«, fragte sie.
»Nein.« Er atmete tief durch. Es war Zeit herauszufinden, ob seine Idee funktionierte. »Disappearance Inc. verkauft seine Klienten. Die Datensätze jedes Klienten, der seit Unternehmensgründung ihre Dienste in Anspruch genommen hat, stehen zum Verkauf.«
Bannerman zog die Augenbrauen hoch, und ihre Hände umfassten die Armlehnen ihres Schaukelstuhls. »Tatsächlich? Und was hat das mit uns zu tun?«
Flint faltete die Hände über dem Bauch, damit sie nicht sehen konnte, dass sie zitterten. Seine Zukunft – und die Tausender anderer Leute – hing davon ab, wie sie auf seinen Vorschlag reagierte.
»Ich habe ihre Daten«, sagte er. »Und Sie sollten wissen, dass ich nicht für sie bezahlt habe.«
Sie runzelte die Stirn.
»Und ich werde sie Ihnen übergeben, wenn Sie jede Person in diesen Akten kontaktieren und ihr helfen, noch einmal zu verschwinden. Die meisten von ihnen werden Ihr übliches Honorar bezahlen.«
»Die meisten?«, wiederholte sie. »Disappearance Inc. ist mehrere Jahrzehnte älter als Data Systems, und wir haben schon beinahe eine Million Klienten, Mr. Flint.«
Das »Mister« hörte sich in seinen Ohren seltsam an. So hatte ihn schon seit sehr langer Zeit niemand mehr angesprochen.
»Ich lasse nur ungern die Geschäftsfrau heraushängen, aber ich bin eine. Ich kann es mir nicht leisten, Klienten zu helfen, die mich nicht bezahlen
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