Miles Flint 01 - Die Verschollenen
Gedanke gekommen. Nun musste er nur noch herausfinden, ob seine Idee funktionieren würde.
Das Gerücht erreichte DeRicci, als die Sanitäter den Dolmetscher abtransportierten. Flint hatte gekündigt. Die Gründe variierten mit jedem Gerücht, das ihr zu Ohren kam: Er war gefeuert worden, weil er zugelassen hatte, dass die Rev die Abteilung auseinander genommen hatten; er hatte sich in die Flüchtige verliebt; er war von selbst abgehauen.
Letzteres konnte DeRicci nicht glauben, Mittleres erschien geradezu grotesk. Aber sie hielt es durchaus nicht für unmöglich, dass er gefeuert worden war, weil er die Arbeit getan hatte, die man ihm aufgetragen hatte.
Sie hastete in sein Büro und fand ihn hinter dem Schreibtisch. Neben seinem Stuhl stand ein Karton, und auf seinem Schoß lag ein zerzauster Stoffhund.
»Was ist das?«, fragte sie.
»Er hat meiner Tochter gehört«, antwortete er.
DeRicci trat ins Büro und schloss die Tür. Flints Tochter hatte sie ganz vergessen. Er hatte mal Familie gehabt, aber er sprach nie von ihr. Für DeRicci war er ein alleinstehender Mann, der sein eigenes Leben lebte und dessen treibende Kraft der Wunsch gewesen war, Detective zu werden. Weiter nichts.
Aber da schien noch eine ganze Menge mehr zu sein.
»Unten heißt es, Sie würden uns verlassen.«
Er nickte.
»Warum?«, fragte sie.
»Das ist nichts für mich, Noelle.«
»Doch, das ist es. Ich habe nie jemanden erlebt, der besser für diesen Job geeignet wäre.« Sie wusste nicht recht, warum sie so sehr in ihn drang. Sie wusste, dass sie es nicht leicht haben würde, ihren Job zu behalten, obwohl sie den Aufstand der Rev an diesem Nachmittag unter Kontrolle gebracht hatte. Aber sie liebte diesen Job, sogar in Wochen wie dieser, sogar, wenn sie sagte, sie wolle kündigen.
Flint lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Etwas an ihm war schon jetzt verändert. Irgendwie wirkte er nicht mehr so zurückhaltend. »Haben Sie sich diese Sache mal durch den Kopf gehen lassen, Noelle? Disappearance Inc. verkauft seine Daten. Wir werden noch mehr Wochen wie diese bekommen, mehr Fälle, die genauso hart sind, werden uns aus dem Hafen erreichen. Das wird sich sogar zu unserer Hauptaufgabe entwickeln.«
DeRicci hatte sich bisher geweigert, darüber nachzudenken. Jetzt lehnte sie sich an den Türrahmen. »Wir können um ein anderes Aufgabengebiet bitten. Nach dem, was ich mit Maakestad angestellt habe, würden wir es vermutlich auch bekommen.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht bereit, das zu tun. Disappearance Inc. sollte aufgehalten werden.«
»Sie verstoßen nicht gegen die Gesetze«, sagte DeRicci müde.
»Ich weiß«, erwiderte Flint. »Aber das, was sie tun, sollte ungesetzlich sein.«
DeRicci verschränkte die Arme vor der Brust. Wenn sie eines über Flint wusste, dann, dass er sich üblicherweise Gedanken über seinen nächsten Schritt machte, ehe er ihn tat. »Sie haben eine Art Plan, richtig?«
Er wich ihrem Blick aus.
Es gab nur wenige Möglichkeiten für ihn, all seine Fähigkeiten in einem anderen Bereich zum Einsatz zu bringen, und es war unverkennbar, dass die Aktivitäten von Disappearance Inc. ihm zu schaffen machten.
»Sie werden doch nicht versuchen, all diese Verschwundenen zu finden, oder?«, fragte DeRicci. »Sie haben nicht vor, sie zu warnen.«
Er rührte sich nicht.
»Hören Sie, Miles, es würde Sie Jahre kosten, alle Verschwundenen aus den Dateien von Disappearance Inc. aufzutreiben. Bis dahin sind sie vermutlich tot oder in irgendeinem Aliengefängnis.«
»Ich weiß.« Sein Handheld piepte. Er nahm ihn vom Tisch und steckte ihn in die Tasche.
Sein Tonfall hatte DeRicci verraten, dass es ihn nicht kümmerte, wie schwierig es sein würde. Vermutlich war er noch immer idealistisch genug zu denken, dass es schon reichen würde, auch nur eine Person vor ihrer Vergangenheit zu retten.
Aber das war ein Irrtum.
»Sie können in dieser Sache nichts tun«, sagte DeRicci. »Sie werden es einfach akzeptieren müssen.«
Flint stand auf, schaltete den Schirm aus und überprüfte noch einmal all seine Schreibtischschubladen. Dann ergriff er den Karton und kam auf die Tür zu.
DeRicci versperrte ihm den Weg.
»Sie können mich nicht umstimmen, Noelle.«
»Kündigen ist nicht richtig, Miles. Bleiben Sie. Wir werden uns etwas ausdenken.« Ihre Stimme wurde vor Enttäuschung immer lauter. Er war der beste Partner, den sie je gehabt hatte. Sie wollte nicht, dass er den Dienst quittierte.
Flint
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