Miles Flint 01 - Die Verschollenen
Jacht ganz einfach schlecht ausbalanciert war. Die Erschütterung durch den Ausstoß der Kapsel hatte sie zum Kippen gebracht. Durch das seitliche Sichtfenster sah sie, wie sich die Kapsel entfernte.
Sie war allein auf dem Schiff.
Ihr Kopf pochte. Sie hatte nur eine Stunde, um sich in Sicherheit zu bringen, vielleicht weniger, sollten sich die Rev nicht an die Anweisungen halten, die der Pilot ihnen erteilt hatte.
Sie glitt auf den Pilotensessel, der noch immer von seinem vorigen Besitzer warm war, und studierte für einen Moment die Steuerinstrumente. Sie waren neuer als die, die sie gewohnt war. Schicker. Aber die grundlegenden Instrumente waren gleich geblieben.
Ehe sie irgendetwas anderes tat, griff Ekaterina nach ihrer Tasche, die an der Konsole lag, und legte die Pistole wieder hinein. Dann schlang sie sich die Tasche über die Schulter.
Sie beugte sich vor und atmete tief durch. Nun blieb ihr keine ganze Stunde mehr, und sie konnte den Autopiloten nicht nutzen.
Jetzt lag es an ihr.
Die Instrumente verrieten ihr eines deutlich: Sie befanden sich nicht einmal in der Nähe des Mars. Sie waren auf halbem Wege von der Erde zum Mond. Niemandsland. Niemandes Hoheitsgebiet, von niemandem kontrolliert. Gesetze galten auch hier, aber nur die Gesetze der Erdallianz und ihrer Verbündeten. Nicht jedoch die Gesetze einer Nation oder eines Planeten.
Mistkerle. Sie hatten versucht, sie bei der erstbesten Gelegenheit zu verkaufen.
Zur Erde konnte sie nicht zurück. Die Rev würden erwarten, dass sie das tat und womöglich sogar nach Hause zurückkehrte. Und der Pilot würde ihnen erzählen, dass sie zum Mars hätte fliegen sollen.
Womit ihr nur eine brauchbare Möglichkeit blieb – und das war eine Möglichkeit, die auch den Rev ziemlich schnell in den Sinn kommen würde. Alles, was Ekaterina tun konnte, war, ein paar zusätzliche Stunden zu gewinnen, oder vielleicht nur ein paar Sekunden.
Aber wie sie erst vor wenigen Momenten feststellen durfte, reichten ein paar Sekunden manchmal vollkommen aus.
Mit Hilfe des Jachtcomputers berechnete Ekaterina den kürzesten Weg zum Mond.
6
D ie Wygnin bescherten Noelle DeRicci eine Gänsehaut. Sie standen an den Wänden, beinahe, aber doch nicht wirklich angelehnt, und beobachteten sie. Sie hatte ihnen Stühle angeboten – und sie wusste, dass sie Stühle benutzten; sie hatte an Konferenzen teilgenommen, in denen die Wygnin Stühle ebenso benutzt hatten, wie die Menschen es taten –, doch die Wygnin hatten abgelehnt.
Sie lehnten einfach alles ab.
Sie wollten die Kontrolle über diese Kinder wieder haben. Aber DeRicci wollte ihnen die Kinder nicht geben. Menschen gehörten nicht zu den Wygnin, egal, was das Gesetz auch dazu sagte.
Der Raum war beengt, aber es war der einzig verfügbare im interstellaren Wartebereich. Es gab natürlich keine Fenster. So tief im Hafen gab es nirgendwo Fenster, und das ließ die institutionellen grauen Wände noch bedrückender wirken.
Der Tisch war alt, gefertigt aus irgendeinem billigen Material voller Furchen und Rillen, und die Stühle sahen aus, als würden sie jeden Moment zusammenbrechen.
Dies war nicht der eindrucksvollste Ort, um sich mit einer Gruppe wütender Aliens zusammenzusetzen.
Fünf andere Polizisten warteten vor der Tür. Neben DeRicci saß eine Dolmetscherin, die es anscheinend absolut nicht befremdlich fand, dass die Wygnin darauf beharrten, stehen zu bleiben. Zwei Juristen, die auf interstellares Recht mit Schwerpunkt Wygnin-Rechtsprechung spezialisiert waren, saßen ebenfalls mit am Tisch.
DeRicci saß nicht. Sie ging auf und ab. Sie wollte genauso sehnlich hier raus wie die Wygnin.
Der Raum wäre schon klein gewesen, wäre er nur mit zwei Personen besetzt. Mit dieser Menge, von denen die Hälfte Wygnin waren, empfand DeRicci die Enge geradezu als klaustrophobisch. Und es half wenig, dass die Juristen ihr die Regie zugeschoben hatten.
Sie hatten es ihr draußen erklärt: Auch wenn sie als Rechtsberater für Armstrong zugelassen waren, besaßen sie hier keine Autorität. Alles, was sie tun konnten, war, sie zu beraten. Den Gesetzen zufolge musste sich die Polizei um diese Angelegenheit kümmern, und DeRicci war die Repräsentantin der Polizei.
Kaum hatten die Anwälte sie darüber aufgeklärt, hatte sie auch schon Kontakt zum Chief aufgenommen und darum gebeten, die ganze Sache einem Beamten in höherer Position zu übertragen. Aber der Chief hatte gelacht – in DeRiccis Ohren hatte es fälsch
Weitere Kostenlose Bücher