Miles Flint 01 - Die Verschollenen
geklungen – und ihr erklärt, sie würde schon alles richtig machen.
Sie sei für diese Aufgabe qualifiziert.
Scheiß auf Qualifikationen. Niemand wollte mit den Wygnin etwas zu tun haben. DeRiccis Problem war einfach, dass sie nicht hoch genug auf der Leiter stand, um diese Aufgabe einem Untergebenen zu übertragen.
Und sie war zu nett, sie Flint zu überlassen. Er würde einmal ein guter Detective werden, aber noch war er grün hinter den Ohren. Und er wusste nicht einmal, wie man mit den Wygnin zu sprechen hatte, ganz zu schweigen davon, wie man mit ihnen verhandeln musste.
Aber die Tatsache, dass sie Flint schützen wollte, war nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte war persönlicher Natur, etwas, das sie niemandem gegenüber eingestanden hätte.
DeRicci wollte diese Kinder nicht sehen. Sollte sie sie nach Korsve schicken müssen, wollte sie ihre Gesichter, ihre Stimmen – sie selbst – nicht als lebende Last auf ihr Gewissen laden.
Die letzte Stunde war die reinste Schinderei gewesen. Die Dolmetscherin kontrollierte jedes gesprochene Wort, um sicherzustellen, dass beide Seiten einander verstanden.
DeRicci war schon jetzt im Nachteil. Sie musste Traffics Seite vertreten, und von denen war niemand mehr da. Ihrem Bericht zufolge hatten sie das Wygnin-Schiff aufgrund eines Tipps von der Oberfläche aufgehalten. Der Immigrationscomputer in der Gagarinkuppel hatte die Identifikationskarten der Wygnin überprüft und gemeldet, dass es für die menschlichen Kinder an Bord des Schiffes keine Treffer gebe. Der Computer hatte die Information an Traffic weitergeleitet, woraufhin Traffic das Schiff aufgehalten, die Angelegenheit geprüft und das Ergebnis der Computerprüfung bestätigt hatte.
Tatsächlich behauptete eines der Kinder, entführt worden zu sein, und die Wygnin konnten keine Papiere vorlegen, die das Gegenteil bewiesen hätten. Folglich hatte Traffic das ganze Schiff zum Mond zurückbringen müssen. Und da die Gagarinkuppel nicht über die notwendigen Voraussetzungen verfügte, um mit den Wygnin zu verhandeln, waren sie nach Armstrong gekommen – und zu DeRicci.
Der Oberwygnin, derjenige, der ein bisschen Englisch beherrschte, sprach lebhaft mit der Dolmetscherin. Korsven war eine musikalische Sprache. Jedes Wort hatte seinen Ton, aber die Tonlage variierte, je nachdem, wo das Wort innerhalb eines Satzes auftauchte. Die Sätze selbst verfügten über eine eigene musikalische Struktur, und diese Struktur wurde abhängig von der Anzahl der Sätze, die nacheinander gesprochen wurden, erweitert.
Korsven war extrem schwer erlernbar, und es hatte DeRicci beinahe ein Jahr gekostet, den Gruß zu beherrschen, den sie im Terminal gesprochen hatte. Obwohl sie im Zuge ihrer Polizistenausbildung zwei Jahre Korsven gelernt hatte, konnte sie dieser Konversation nicht folgen.
»Sie behaupten, eine Ermächtigung zu haben«, sagte die Dolmetscherin.
Die Dolmetscherin war eine Frau mit einer Menge Modifikationen, die DeRicci überwiegend noch gruseliger fand als die Wygnin. Ihr Haar und ihre Haut hatten den gleichen Goldton, ihre Augen waren goldumrandet. Sie sah nicht aus wie eine Wygnin – das konnte kein Mensch –, aber sie sah aus wie einer der Menschen, die von den Wygnin zurückgeholt worden waren. Zerstörte Menschen, von denen viele den Rest ihres Lebens in einer Anstalt verbringen mussten.
DeRicci hatte keine Ahnung, warum jemand diesen Zustand nachahmen sollte. Ihres Wissens nach war die Dolmetscherin nie auf Korsve und umso weniger eine Gefangene der Wygnin gewesen. Das alles war nur Teil eines kulturellen Trends, den zu verstehen DeRicci nicht ansatzweise imstande war.
»Sie haben den Grenzpolizisten keine Ermächtigung vorgelegt«, sagte DeRicci.
Die Juristen beobachteten und registrierten alles. Sie sahen noch nervöser aus, als sie sich fühlte.
Die Wygnin behielten sämtliche Menschen im Auge. DeRicci konnte die Persönlichkeiten hinter den Blicken fühlen, die aufgebauten Emotionen, die zielgerichtete Traurigkeit. Sie hatte eine Barriere um sich herum errichtet, weil sie nicht zulassen wollte, dass das alles sie berühren konnte.
Wenigstens so viel wusste sie.
Die Wygnin sprachen sanft. Die Dolmetscherin sah sie nicht an, sie beobachtete DeRicci. »Sie sagen, sie brauchen keine schriftliche Ermächtigung.«
»Das haben sie schon im Terminal gesagt, und sie irren sich. Wie ich bereits dort erklärt habe, befinden sie sich auf menschlichem Territorium, und in unserem Hoheitsbereich
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