Miles Flint 04 - Das Marsgrab
zeigte Nerven. Sie war größer als die Generalgouverneurin, was sogar Flint in Erstaunen versetzte. Er hatte DeRicci früher oft wegen ihrer Größe aufgezogen – beziehungsweise dem Mangel an selbiger.
Die Generalgouverneurin nahm eine edelsteinbesetzte Schatulle aus den Händen eines Assistenten entgegen, öffnete sie und zeigte dem Publikum den Orden, der im Inneren der Schatulle ruhte. Von Flints Position im hinteren Bereich des Raumes aus konnte er nur ein silbriges Aufblitzen sehen. Dann drehte sie sich zu DeRicci um, nahm den Orden heraus und gab die Schatulle wieder ihrem Assistenten.
DeRicci sah aus, als wäre ihr übel. Flint wünschte, er wäre näher am Podium, sodass er ihr hätte zuzwinkern oder stumm aufmunternde Worte mit den Lippen bilden können.
Aber das konnte er nicht. Ihm blieb nur zu warten und zuzusehen.
Die Generalgouverneurin steckte DeRicci die Auszeichnung an den Jackenaufschlag. Der Stoff wölbte sich vor, und beideFrauen lachten über das Missgeschick. DeRicci half mit, als die Generalgouverneurin den Orden löste und erneut feststeckte.
Dann drehte die Generalgouverneurin DeRicci zum Publikum um, und der ganze Saal brach in Applaus aus. DeRiccis Gesicht war gerötet, und ihre Augen schienen ein wenig zu sehr zu glänzen.
Und dann, mit einem Mal und überraschend plötzlich, war die Veranstaltung beendet. Soseki winkte mit beiden Händen und dankte den Gästen für ihr Erscheinen, ehe er sich zu DeRicci umwandte. Die Leute im Raum erhoben sich unisono, und der größte Teil der Menge drängte zur Tür hinaus. Die Presseleute blieben natürlich, und Flint ebenso.
DeRicci wollte gerade die Stufen an der Seite der Bühne herabsteigen, als die Generalgouverneurin sie am Arm festhielt. Soseki ging auf die beiden zu, gefolgt von mehreren anderen Politikern. Andrea Gumiela und die Polizeipräsidentin standen mit verwirrten Mienen ein wenig abseits.
Flint fühlte, wie sich Anspannung in seinen Schultern bemerkbar machte. Diese Veranstaltung war offenbar nur Teil eines größeren Ereignisses, über das nicht einmal die Polizei informiert worden war. Er konnte DeRicci inmitten all der Leute, die um sie herumstanden, nicht einmal mehr sehen.
Er überlegte, ob er gehen sollte.
Stattdessen arbeitete er sich nach vorn vor, nur für den Fall, dass DeRicci irgendwann einen Grund brauchte, um sich davonzumachen.
4
K i Bowles berührte die Informationschips auf ihrem Handrücken. Sie filterte die Gerausche im Saal mit Hilfe eines Schallpegelmessers und versuchte, das Geplapper in der Umgebung loszuwerden. Stühle klapperten, Stimmen wurden lauter, und Leute lachten, und all das machte es ihr unmöglich, irgendetwas von dem zu hören, was sich in der Nähe der Bühne abspielte.
Sie kam sich schon jetzt abgeschottet vor. Sie hatte die Infotainment-Einspeisungen abgeschaltet, als sie den Raum betreten hatte, in der Hoffnung, dass erhöhte Konzentration ihr helfen würde, ein paar Spuren aufzudecken. Stattdessen hatte sie sich diese ganze Pressekonferenz anhören müssen. Von Multitasking keine Spur.
Sie hatte die Infotainmentlinks gerade wieder einschalten wollen, als sie Miles Flint entdeckt hatte. Er hatte ihr immerhin eine Ablenkung geliefert, die es ihr erleichtert hatte, die Pressekonferenz bis zu der albernen Ordensansteckerei durchzustehen.
Nun musste sie nur noch ihre Aufzeichnungslinks überprüfen, sich vergewissern, dass sie alle aktiviert waren, und hoffen, dass sie zufällig irgendetwas Wichtiges erhaschen konnte.
Das hatte ihr Sorgen bereitet. Sie konnte nur hoffen, dass der Chip, den sie gleich nach ihrem Eintreffen am Rand der Bühne platziert hatte, die Informationen aufzeichnen würde, die sie brauchte.
Bowles zeichnete immer noch auf und nutzte neben dem Weitwinkelbereich ihres Handgelenkchips einen Link zu einer bereitgestellten Kamera an der Decke auf einem anderen Chip und einen kürzlich erst installierten Zoom auf Augenhöhe. Sie wollte, dass mit dieser Kamera das Geschehen so aufgezeichnet würde, wie sie selbst es wahrnahm, ihre eigene Perspektive also, nur für den Fall, dass sich hier eine große Story entwickeln sollte.
Flint war noch nicht gegangen. Seine schlaksige Gestalt beherrschte die linke Seite des Raums. Er war ein unverwechselbarer Mann und klüger, als gut für ihn war. Als Bowles zum ersten Mal mit ihm gesprochen hatte, hatte sein Aussehen sie in seinen Bann gezogen, dieses Gesicht, diese Gestalt wie aus einem Gemälde der Präraffaeliten.
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