Miles Flint 05 - Paloma
ein.
Van Alen lächelte. »Dann würde ich vielleicht die eine oder andere Drohung aussprechen. Ich würde vielleicht drohen, alle wichtigen Klienten mitzunehmen und meine eigene Kanzlei aufzubauen …«
»Was sie eindeutig nicht getan hat«, sagte Flint.
»Oder ich würde Informationen durchsickern lassen, Bröckchen für Bröckchen, irgendwelches Zeug, von dem sich niemand wünscht, das es bekannt wird.«
»Aber das könnte Sie in Schwierigkeiten bringen. Da ist schließlich noch die anwaltliche Schweigepflicht, über die wir gesprochen haben«, sagte Flint.
Van Alens Lächeln wurde breiter. »Es gibt immer Wege, sie zu umgehen, wenn man klug genug ist. Feinsinnig genug. Stark genug.«
Flint lief ein kalter Schauer über den Rücken.
»WSX existiert immer noch«, sagte van Alen, der offenbar seine veränderte Mimik aufgefallen war.
»Aber sie sind hinter etwas her, das auf diesem Schiff war«, sagte Flint.
»Sie denken, sie hatte die Wagners in der Hand?«
»Das halte ich für offensichtlich«, sagte Flint. »Ich weiß nur nicht, warum, und ich weiß nicht, ob das überhaupt irgendetwas mit ihrem Tod zu tun hat.«
»Aber das können Sie herausfinden, oder?«, fragte van Alen.
»Wenn mir genug Zeit bleibt.«
»Tja«, sagte sie und zuckte beinahe sorglos mit einer Schulter, »dann werden wir Ihnen die nötige Zeit wohl verschaffen müssen.«
Sie ging in Richtung Tür.
»Da ist noch etwas, Maxine.« Sie beim Vornamen anzusprechen, fühlte sich sonderbar an, aber sie hatte ihn ebenfalls mit seinem Vornamen angeredet. Und er wollte, dass sie auf Augenhöhe blieben.
»Was?«, fragte sie.
»Helfen Sie mir, weil ich Ihr Klient bin oder weil Sie hoffen, ich könnte den Schlüssel zur Vernichtung von WSX in der Hand haben?«
»Meiner Ansicht nach schließt keiner dieser Gründe den anderen aus«, sagte sie und schlüpfte zur Tür hinaus.
41
F lint war gut. Die Systeme in seinem Büro hatten nicht viel zu bieten, und das, was da war, ließ sich mit Hilfe öffentlicher Datenbanken bestätigen. Es schien ein paar Unregelmäßigkeiten zu geben, aber in Anbetracht des Zustands, in dem sich die Anlage befand, konnte Nyquist in diesem Punkt nicht sicher sein.
Er hatte bereits die Hälfte seiner Suche abgeschlossen, als der Haftbefehl endlich ausgestellt wurde. In diesem Moment hatte er seiner Ansicht nach genug, um ein Technikerteam herzuholen.
Ehe die Techniker eintrafen, überprüfte er jeden Quadratzentimeter des schmuddeligen Büros, um sich zu vergewissern, dass keine Überraschung auf sie wartete. Auf keinen Fall sollte eine Sprengfalle eine weitere Person erwischen, die er zu diesem Fall hinzuzog.
Als die Techniker endlich eintrafen, war Nyquist ausreichend überzeugt, dass ihnen nichts zustoßen konnte.
Genau konnte er es nicht wissen, denn ihm war klar, dass Flint sich mit Computern besser auskannte als er. Aber Nyquist blieb weiter nichts, als die Leute zu warnen und sie daran zu erinnern, dass dieser Mann schon früher an diesem Abend per Fernsteuerung gemordet hatte.
»Wir müssen immer damit rechnen«, sagte Nyquist, »dass er es noch einmal versuchen könnte.«
Dann ging Nyquist. Er musste zurück ins Büro, doch er machte sich zuerst auf den Weg zu seiner Wohnung, weil er keinen Schritt mehr tun wollte, ohne endlich eine Dusche genommen zu haben.
Die Wohnung sah verwahrlost aus, vermutlich, weil sie verwahrlost war. Sie bestand aus drei kleinen Zimmern, kaum genug für eine Person und ganz sicher nicht genug, mit ihr vor einer gewissen Sicherheitschefin Staat zu machen, nicht ohne sie vorher auszuräuchern und all den Kram wegzuwerfen, der sich in den wenigen Stunden, die er jede Nacht zu Hause verbrachte, angehäuft hatte.
Die Dusche gab ihm das Gefühl, im Himmel zu sein. Eine Dusche mit echtem Wasser gehörte zu den wenigen Luxusgütern, die er sich gönnte. Das heiße Wasser schälte den Mondstaub aus Flints Büro von seiner Haut. Nyquist sah zu, wie der Staub im Wasser herumgewirbelt wurde, und erinnerte sich plötzlich, dass Flints Kleidung von dem Zeug bedeckt gewesen war, als er zum Schauplatz von Palomas Ermordung geeilt war.
Flint war in seinem Büro gewesen, als er die Nachricht von ihrem Tod erhalten hatte – oder die Nachricht von Paloma, wie er beharrlich behauptet hatte. Oder er hatte sie umgebracht, war in sein Büro gegangen und in dem Wissen um die Bedeutung von Spurenbeweisen durch den Staub spaziert. Dann war er, immer noch voller Staub, zu Palomas Wohnhaus
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