Miles Flint 05 - Paloma
eigenen Geschäfte und suchten gegen eine entsprechende Vergütung nach Verschwundenen.
Und manche dieser Kopfgeldjäger erkannten, dass sie noch viel mehr berechnen konnten, wenn sie sich weigerten, die Verschwundenen der Gerechtigkeit zu übergeben. Stattdessen suchten sie im Auftrag der Familie nach Verschwundenen – um die Person darüber zu informieren, dass die Klage fallen gelassen worden war, oder dass sie ein Vermögen geerbt hatte, oder dass ihr Onkel wegen Mordes gesucht werde und sie der einzige Zeuge wäre, und ob sie nicht vielleicht nach Hause kommen könne? Diese Kopfgeldjäger waren noch dubioser als die Gruppe, aus der sie hervorgegangen waren, und schließlich, in dem Bemühen, ihr Image zu verbessern, fingen sie an, sich als Lokalisierungsspezialisten zu bezeichnen.
Von Anfang an war vielen Lokalisierungsspezialisten vorgeworfen worden, sie würden Fluchthilfe leisten und die Justiz behindern, doch der Berufsstand entwickelte Schläue. Und er wurde nützlich.
Wieder einmal stand ESI in vorderster Front. Nachdem es ihnen gelungen war, Übereinkünfte mit fremden Regierungen zu treffen und manche dieser Regierungen dann auf Strafverfolgung im Hinblick auf die Dinge, die ESI in der Anfangsphase verbrochen hatte, verzichteten, war ESI das erste Unternehmen, das eigene Lokalisierer beschäftigte, um besonders gut ausgebildete, besonders fähige Personen aus ihrem Versteck zurückzuholen.
Bowles fand das ganze Konzept faszinierend. Da steckte mehr als nur eine Story drin, vielleicht reichte es sogar für eine ganze Serie. Sie konnte sich die Verschwindedienste vornehmen, die Kopfgeldjäger, die diversen Regierungen und die Lokalisierungsspezialisten.
Nach ihrem Kenntnisstand und einer Suche, die gerade mal einen Abend Zeit erfordert hatte, gab es in den alten Aufzeichnungen Videoaufnahmen von Interviews mit zurückgekehrten Verschwundenen, mit dem Gründer des ersten Verschwindedienstes innerhalb des Konzerns und sogar mit einigen der ersten Lokalisierungsspezialisten.
Sie war auf eine Goldmine gestoßen, eine Goldmine voller Geschichte und Geschichten, die die ganze Zeit da gewesen war. Hätte sie nicht davon Kenntnis erlangt, würde auch keiner ihrer Zuschauer es je erfahren.
Dabei gab es Verwicklungen, die nicht nur sehr weitreichend waren, sondern überdies zu den Anfangstagen der Allianz zurückführten, zu Vereinbarungen, über die die Leute heute noch stritten. Die Kompromisse, die jeder Mensch eingehen musste, um in einer multiethnischen, multikulturellen und artübergreifenden Gesellschaft zu leben, traten bei diesem Thema auffallend zutage.
Wenn sie die Informationen richtig benutzte, dann konnte sie nicht nur zur Expertin für Lokalisierungsspezialisten werden, sondern auch zur Expertin für die menschliche Kultur, das Geschäftsleben und die Justizgeschichte samt ihren alltäglichen Auswirkungen auf die menschliche Bevölkerung des Mondes und der Erdallianz.
Es würde lange dauern, so weit zu kommen, doch das war den zeitlichen Aufwand wert.
Sie würde mehr als Ki Bowles, die bekannte Reporterin von InterDome, sein. Sie würde Ki Bowles, mondansässige Expertin für alle das bekannte Universum betreffende Angelegenheiten, sein.
Sie würde Informationen vermitteln, nicht im Dreck danach wühlen. Sie würde bedeutend sein. Und wenn sie ganz ehrlich war, dann war es genau das, was sie im Grunde immer gewollt hatte.
43
A ls Nyquist im fünften Stock der First Detective Division ankam, stellte er überrascht fest, dass er nicht die einzige Person aus der Frühschicht war, die immer noch an einem Fall arbeitete. Drei andere Detectives aus der Frühschicht saßen an ihren Schreibtischen, stellten Nachforschungen an, wühlten sich durch allerlei Dateien oder schrieben einen Bericht.
Nyquist nickte allen zu, empfing mitfühlende Worte von einem, der von dem Bombenanschlag im Hafen gehört hatte, und ging in sein kleiderschrankgroßes Büro.
Er war zu aufgewühlt zum Schlafen. Zu dieser späten Stunde konnte er keine Zeugen befragen – nicht ohne besonderen Grund –, und die Straßen nach Flint abzusuchen hatte wenig Sinn. Darum kümmerten sich die Streifenbeamten. Der Haftbefehl für Flint hatte hohe Priorität.
Also würde Nyquist sich die Beweismittel ansehen, die die Techniker bereits bearbeitet hatten, und er würde die Lebensläufe sämtlicher Beteiligten von Flint bis zu den Wagners durchgehen, um nachzusehen, was ihm entgangen sein mochte.
Aber zuerst wollte er sich
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