Miles Flint 05 - Paloma
erhob sich von seinem Schreibtisch, der aus einer hellen Substanz bestand, die aussah wie Holz (soweit Nyquist es beurteilen konnte, war es Holz), das das Licht einerseits in sich aufzunehmen schien, es andererseits noch strahlender wirken ließ, und streckte ihm eine Hand entgegen.
Nyquist unterdrückte ein Schaudern, das er beim Anblick der Hand in sich aufsteigen spürte, beim Gedanken daran, wie feucht sie sich angefühlt hatte, wie manipulativ, als er sie zum ersten Mal berührt hatte. Und als er sie schließlich ergriff, fühlte sich die Berührung genauso unangenehm an wie beim ersten Mal. Er war stolz auf sich, dass es ihm gelungen war, nicht das Gesicht zu verziehen.
»Welchem Umstand verdanke ich die Ehre?« Das war schon das zweite Mal, dass der Begriff Ehre im Zusammenhang mit seinem Besuch gefallen war, was Nyquist jedoch nicht schmeichelte, sondern ihn allenfalls nervös machte.
»Ich muss mit Ihnen über Ihre Familie sprechen«, sagte Nyquist.
»Haben Sie Informationen über das Testament?«, fragte Wagner.
»Ein paar«, log Nyquist. »Aber die meisten Daten werden von unserer forensischen Datenverarbeitung untersucht.«
Wagner verzog das Gesicht. »Daten von der Taube, nehme ich an.«
Nyquist nickte, was ebenfalls gelogen war.
»Dann haben Sie nichts über die Lost Seas? Flint hat einen juristischen Winkelzug genutzt, um alle Daten meiner Mutter an sich zu bringen, und …«
»Das geht nur Sie und Flint etwas an«, sagte Nyquist.
»Tja.« Wagner lächelte, ein Anblick, der für Nyquists Geschmack nach wie vor zu ölig wirkte. »Zumindest gibt es endlich einen Haftbefehl. Und da er nun offiziell ein kriminelles Subjekt ist, wird er vor Gericht kaum Chancen haben.«
Nyquist verschwieg, dass der Haftbefehl aufgehoben undFlint in jeder Hinsicht unverdächtig war. Er wollte Wagner dazu bringen, mit ihm zu kooperieren. »Eigentlich bin ich nur hier, um mit Ihnen über Ihre Familie zu sprechen.«
Wagner warf einen viel sagenden Blick zur Tür. »Ich habe Ihnen schon gestern Abend alles erzählt, was Sie wissen müssen.«
»Sie haben mir eine Menge erzählt«, sagte Nyquist und gab sein Bestes, sich bei dem Mann einzuschleimen. Schleimen lag nicht in seiner Natur. Er war nicht gut darin, und er war noch schlechter, wenn er sich zu sehr bemühte. Also musste er so tun, als sei ihm der Mann sympathisch. Was ganz und gar nicht der Fall war. »Aber wir sind im Zuge der Ermittlungen auf ein paar Dinge gestoßen …«
»Ich bin überzeugt, mein Bruder kann sich um alle neuen Erkenntnisse kümmern, die Sie gewonnen haben«, sagte Wagner. »Ich werde Ignatius ausrufen lassen. Er kann Sie über unsere Familiengeschichte ebenso informieren wie über die Art und Weise, in der sich Flint unserer Ansicht nach in das Leben meiner Mutter eingeschlichen hat.«
»Das haben Sie gestern Abend ausführlich erklärt«, sagte Nyquist. »Die Frage, die mich wirklich beschäftigt, lautet: Wie kommt es, dass das Schiff Ihrer Mutter, die Lost Seas, und die Raumjacht Ihres Vaters, die Xendor’s Folly, von der bixinischen Regierung verflucht wurden?«
Wagner starrte ihn so überrascht an, dass Nyquist sich im Stillen wünschte, er hätte den Fotochip an seiner Hand aktiviert. Wie es schien, war Wagner üblicherweise nicht aus der Ruhe zu bringen, und doch hatten ihn Nyquists Worte offenbar getroffen wie ein Blitz aus heiterem Himmel.
»Kurz darauf hat Ihre Mutter offiziell ihren Namen geändert«, sagte Nyquist. »Das ist ein Trick, den manche Leute anwenden, statt einfach zu verschwinden, vor allem Leute, die es mit Außerirdischen zu tun haben, die unsere Gesetze nicht verstehen.«
Wagners Miene war erstarrt, beinahe, als könne er sich nicht entscheiden, welche Emotion er zum Ausdruck bringen sollte.
»Was Ihren Vater betrifft, so kann ich keinerlei Daten mehr von ihm finden, nachdem die bixinische Regierung die Xendor’s Folly verflucht hat. Wer ist übrigens Xendor?«
Wagner wedelte abwehrend mit der Hand. »Er war nur zu Beginn Partner der Kanzlei. Seine Erben, die nicht auf dem Mond leben, erhalten einen kleinen Anteil des Unternehmensgewinns.«
Das Wort Unternehmensgewinn brachte Nyquist plötzlich zum Schaudern. Er wusste natürlich, dass Anwaltskanzleien Geld einbrachten; er wusste auch, dass einige Anwälte wirklich reich wurden, doch im Gegensatz zu vielen anderen Wirtschaftsunternehmen hatte er Anwaltskanzleien nie als Gelddruckmaschinen eingestuft.
»Xendor’s Folly ist ein interessanter Name für
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