Miles Flint 05 - Paloma
wenn ich mit ihm spreche?«
»Warum sollte ich?«, fragte Flint. »Ihr gehört beide dem gleichen Department an.«
Murray grunzte und schob seinen Stuhl zurück. Dann stand er auf und legte eine Hand auf eines der Schiffe auf dem Wandgemälde, und eine Schublade schob sich aus dem Schiffsbild heraus. Er entnahm ihr einige Datendokumente, als wolle er sich wieder seiner Arbeit widmen.
»Du hattest Recht«, sagte Flint, bestrebt, Murray nicht zu tief in seine Angelegenheiten hineinzuziehen. »Ich bin gekommen, weil ich Hilfe brauche.«
»Ist das nicht immer so?« Murray hielt die Dokumente in der Hand, drei Stück, alle vollgestopft mit Hafenaufzeichnungen, die bis in die Zeit zurückreichten, in der das Schiff, dessen Bild er berührt hatte, erbaut worden war. Das jedenfalls nahm Flint an, denn es entsprach jener Art Informationsspeicherung, die man benutzt hatte, als Flint noch bei Traffic gearbeitet hatte.
»Ich muss in ein Schiff mit Namen Lost Seas.«
Murray ließ die Dokumente fallen. Er bückte sich und hob sie gemächlich wieder auf. Flint sah zu, klug genug, keine Hilfe anzubieten. Er wagte es nicht, in diesem Raum irgendetwas außer den Tischen und Stühlen auch nur zu berühren.
»Du solltest dich von dem Schiff fernhalten«, sagte Murray, ohne aufzublicken. Seine Hände zitterten, als er die Dokumente aufsammelte.
»Weil es konfisziert ist, ich weiß«, sagte Flint.
»Weil es unter Quarantäne steht«, korrigierte Murray. »Wir sind nicht autorisiert, HazMat an Bord zu schicken. Ein Zivilist kann auf keinen Fall an Bord gehen.«
Flint erschrak. Davon hatte Paloma ihm nichts erzählt. »Warum steht es unter Quarantäne?«
»Da bin ich überfragt. Aber die Quarantäne wurde nicht allein von der Erdallianz verhängt. Da sind noch mindestens fünf andere Bündnisse, die verlangen, dass das Schiff zerstört wird, weil es irgendwie toxisch sein soll. Darum liegt es unter Bewachung in Terminal 35 und nicht in 81.«
Flint schüttelte verständnislos den Kopf. »Ich dachte, Schiffe, die unter Quarantäne stehen, liegen immer in 81.«
»Tun sie«, sagte Murray. »Aber dazu müssen sie hergebracht werden, hergeflogen oder hierher ausgeliefert. Die Lost Seas hatte einen Liegeplatz in Terminal 35 und ist da eines Tages plötzlich aufgetaucht. Es gibt keine Akten über ihre Ankunft oder darüber, wer sie geflogen hat. Der Quarantänebefehl ist innerhalb von Stunden nach ihrer Ankunft eingetroffen. Bis dahin war der Pilot weg, und wir konnten das verdammte Ding nicht bewegen. Wir können nicht einmal in die Nähe gehen. Also war das Beste, was wir überhaupt tun konnten, das Gebiet abzusperren und zu hoffen, dass die Vorschriften irgendwann weit genug gelockert würden oder die Quarantäne aufgehoben würde, damit wir uns mit dem Schiff befassen können.«
»Du weißt nicht, wer sie geflogen hat? Was ist mit der Überwachung?«
»Gelöscht«, sagte Murray. »Die visuelle Aufzeichnung hat an dem Tag irgendwann aufgehört zu arbeiten. Die Backupsysteme haben versagt. Kein registriertes Stimmmuster.«
»Wann war das?«
Murray zuckte mit den Schultern. »Da müsste ich mich durch die Akten wühlen. Auf jeden Fall vor deiner Zeit.«
»Vor meiner Zeit als was? Als Lokalisierungsspezialist?«
»Vor deiner Zeit bei Traffic«, sagte Murray.
Der Schock schoss förmlich durch Flints Körper. »Ein Schiff unter Quarantäne hat mehr als ein Jahrzehnt in einem öffentlichen Bereich gelegen?«
»Wir fordern jeden Monat aktuelle Anweisungen an, wie es von uns erwartet wird, und jeden Monat ist der Status unverändert.«
»Du hast aber doch gewusst, wem das Schiff gehört hat, nicht wahr? Hätte sie nichts tun können?«
»Das Schiff ist auf eine bekannte Anwältin registriert. Deine ermordete Freundin, was? Eine Anwältin?«
»Das war sie mal«, sagte Flint wie betäubt.
»Tja, sie hat immer nur irgend so einen juristischen Kram geschickt, der besagte, dass wir kein Recht hätten, an ihrem Schiff herumzufummeln. Was nicht ganz richtig ist, wenn man bedenkt, dass es da irgendeine Art biologischer Kontamination gibt. Aber es hat gereicht, die Leute einzuschüchtern, die hier für die Sache zuständig waren. Nicht, dass die überhaupt irgendwas anrühren würden, das unter Quarantäne steht, ohne dabei buchstabengetreu die Vorschriften zu befolgen.«
Flint nickte. Das würden sie nicht. Das wagten sie nicht. Der Hafen war die vorderste Front zur Verteidigung gegen Krankheiten oder andere Kontaminationen, die sich
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