Millennium Falke
da waren Bilder von Hotels und Restaurants, Angebote für Rundreisen durch verschiedene Sektoren der Ökumenopolis und andere lokale Dienste. Erst seit ein paar Wochen hatte er dieses neue Leben nun, und doch fragte er sich bereits, ob er je zu denen um ihn herum aufschließen konnte – oder das überhaupt wollte. Doch dieses Gefühl einer unerledigten Aufgabe zwang ihn weiterzumachen. Da war etwas, und er musste es erst zu Ende bringen, bevor er auch nur hoffen konnte, sich eine Zukunft aufzubauen.
Flitcher Poste entdeckte sein Opfer in der Ankunftshalle des Raumhafens: einen langgliedrigen Menschen von fünfundvierzig oder fünfzig Jahren, mit blondem, lang getragenem Haar und einem gestutzten Vollbart. Er starrte auf die Silhouette von Nar Shaddaa hinaus, als käme er gerade von der primitivsten Welt im Cron-System. Anschließend studierte er die Holoreklame über den Ausgangstüren und schien zu überlegen, ob er ein Schwebetaxi, die Magnetschwebebahn oder ein Shuttle nehmen oder doch das Risiko eingehen sollte, sich einen Luftgleiter zu mieten.
Poste behielt ihn im Auge, während er mit einem Turbolift zur Ankunftsebene hinunterfuhr. Als der Mensch durch die großen Türen hinausschritt und auf die Reihe der Schwebetaxis zuging, fiel Poste auf, dass er eine kleine Aktentasche bei sich trug. Das überraschte ihn ein wenig. Nur Wesen, die geschäftlich nach Nar Shaddaa kamen, hatten Aktentaschen dabei. Die Touristen, Spieler, Würdenträger und Kriminellen kamen mit großem Gepäck, bisweilen sogar mit einer ganzen Wagenladung Koffer. Der Kerl war ganz offensichtlich kein Einheimischer – nicht bei dem orientierungslosen Ausdruck auf dem Gesicht. Vielleicht war er ja von einer technisch unterentwickelten Welt hierhergekommen und trug all seine Besitztümer in dieser einen Tasche bei sich. Doch warum sollte jemand, der nur so wenig hatte, ausgerechnet nach Nar Shaddaa kommen? Zugegeben, der Mond war ein Auffangbecken für viele Gestalten, die nichts mehr zu verlieren hatten, aber dieser Mensch sah nicht aus, als gehörte er zu dieser Gruppe. Besuchte er dann womöglich Freunde oder Verwandte? Nein, Freunde oder Familienmitglieder würden ihn abholen und ihn nicht Gestalten wie Poste aussetzen, die ihren Lebensunterhalt damit verdienten, am Raumhafen nach unbedarften Reisenden zu suchen und sie auszurauben, bevor die Währungswechsler, Taschendiebe oder Trickbetrüger, die den Rest der Stadt heimsuchten, ihm das Geld aus der Tasche ziehen konnten.
Während er hinter seinem Opfer hereilte, bemerkte Poste zudem, dass der Mensch sich wie jemand bewegte, der sich noch nicht ganz an seine Beine gewöhnt hatte, so als hätte er schlecht sitzende Prothesen. Das mochte bedeuten, dass er ein Veteran war, der im Blasterfeuer eines Krieges seine Beine verloren hatte. Dafür sprach auch, dass der Mensch seine Umgebung aufmerksam im Auge behielt. Er blickte zwar niemandem ins Gesicht, doch Poste konnte erkennen, dass er sich jeder Kleinigkeit bewusst war, die sich um ihn herum abspielte. Wie sonst könnte er sich wohl so gewandt durch die Menge vor dem Raumhafen schieben?
Das war es.
Ob er nun neue Beine hatte oder nicht, er bewegte sich mit einer natürlichen Behändigkeit. Da war etwas an ihm, das man wohl als beherrscht bezeichnen könnte. Er hatte seinen Körper unter Kontrolle.
Poste schob sich näher heran. Der Fremde schien nicht bewaffnet zu sein. Er trug kein Halfter am Knöchel, und es waren auch keine Beulen unter dem dünnen Stoff seiner Jacke zu sehen, die darauf hingedeutet hätten, dass er sich einen Blaster in den Hosenbund gesteckt hatte. Poste fragte sich, ob dieser orientierungslose Blick und der merkwürdige Gang vielleicht nur gespielt waren. Vielleicht suchte der Neuankömmling selbst nach jemandem, den er ausrauben konnte – oder schlimmer noch: Vielleicht wollte er Kleinkriminelle wie ihn anlocken, um sie dann festzunehmen. Doch die Vorstellung, dass sich auf Nar Shaddaa ein Polizist in Zivil herumtrieb, war noch verrückter, als mit nichts weiter als einer Aktentasche auf dem Mond einzutreffen.
Poste war fasziniert. Er beschloss, dem Neuankömmling nicht die Taschen zu leeren oder ihm eine Karte für eine erfundene Führung durch das Nachtleben der Stadt zu verkaufen, aber er wollte noch immer wissen, was sich in dieser Aktentasche befand. Vielleicht würde der Fremde sie in seinem Leichtsinn ja irgendwo abstellen oder sich von etwas anderem lange genug ablenken lassen, damit Poste unbemerkt
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