Millionär
keiner tut. Denn wer tut, was alle tun, der kriegt auch das, was alle kriegen! Und das ist in der Regel: nicht viel Geld.«
Ich wende mich nach rechts und blicke in Shahins ratlose Augen.
»Simon. Mach ich das, was alle tun?«
Ich zucke mit den Schultern.
»Kriegst du denn das, was alle kriegen?«
»Woher soll ich denn wissen, was die anderen kriegen?«
»Ja, keine Ahnung. Aber . wenn sie was anderes tun als du, dann kriegen sie mehr!«
»Mhhh .«
So richtig kommen wir nicht weiter mit unserer Logik, also hören wir lieber weiter zu. Mr. Moneybooster hat sich inzwischen runter zum »Volk« begeben und stützt seinen teuren Lederschuh auf einem unbesetzten Stuhl ab.
»Wir alle kennen den berühmtesten Feuerwehrmann der Welt: den Höllenkämpfer Red Adair!«
Ich stupse Shahin an.
»Retter wer?«
»Red Adair! A-d-a-i-r. Red wie Rot, die Farbe. Mensch, der ist doch bekannt.«
»Ja, ICH kenn den nicht. Krieg ich dann mehr? Weil ich nicht kenne, was die anderen kennen?«
»Quatschkopf!«
Synchron schauen wir wieder in Richtung Bühne.
»Aber Red Adair war kein normaler Feuerwehrmann! Er sollte nicht mal ein Feuerwehrmann werden. Er sollte Schmied werden, so wie sein Vater. Doch Red Adair wollte unbedingt Feuerwehrmann werden und er wurde es auch: Er wurde der König der Feuerwehrleute und feierte unglaubliche Erfolge; schon in den 60ern löschte Red Adair in der Sahara eine als unlöschbar geltende brennende Gasquelle. Zwanzig Jahre später löschte er eine brennende Ölplattform inmitten des Atlantiks und im ersten Golfkrieg sage und schreibe hundertsiebzehn brennende Ölquellen. Einhundertundsiebzehn Ölquellen! Warum hat man ihm einen so wichtigen Auftrag gegeben? Ihm, dem kleinen texanischen Sohn eines Schmieds? Ganz einfach: weil Red Adair vierzig Jahre lang das gemacht hat, was die anderen nicht gemacht haben: Er hat sich spezialisiert. Auf das Löschen von Ölbränden. Jahrelang hat er geforscht und bestehende Techniken verbessert immer mit dem einen Ziel: Wie kann er noch besser und schneller einen Ölbrand löschen. Das Geld kam von alleine, denn auch der letzte Scheich hatte schnell begriffen, wie viele Millionen Dollar es wert ist die Flammen einer brennenden Ölquelle löschen zu lassen, die jeden Tag ein Vermögen vernichten. Red Adair wurde kein Schmied. Er hörte nicht auf die Hühner, denn er wusste, er war ein Adler. Der König der Feuerwehrleute!«
Stille im Saal. Kommt da noch was? Nicht? Okay. Und was ist jetzt die Message? Sollen wir jetzt alle Spezial-Feuerwehrmän-ner werden und Ölquellen löschen? Hey, ich würde das vielleicht sogar machen, aber irgendwie sind brennende Ölquellen verdammt selten anzutreffen zwischen Dom und Friesenplatz.
»Was lehrt dich Red Adair?«
Schuberts Stimme ist nun so laut, dass selbst der AyurvedaKongress sie noch hören muss.
»Was lehrt dich Red Adair? Ich sage es dir! Nimm dein liebstes Hobby und mach deinen Beruf draus! Ich frage dich: Wo ist dein Spezialgebiet? Wo tust du das, was andere nicht tun? Wo bist du der Red Adair?«
Die martialische Titelmelodie der 80er Jahre TV-Serie ATeam setzt ein und ich könnte meinen Arsch drauf verwetten, dass Mr. Moneybooster keinen Cent für die Rechte gezahlt hat. Über der paramilitärischen Heldenmusik liegt die aggressive Stimme von Ron Schubert. Er steht nun keine zehn Zentimeter vor einem rotgesichtigen Bauernjungen und donnert ihm seine Frage direkt in die ebenfalls roten Ohren.
»DU WILLST MILLIONÄR WERDEN? DANN FRAG ICH DICH: WO BIST DU DER RED ADAIR?«
Der Bauernjunge ist unfähig etwas ins Mikro zu sprechen, doch das scheint Teil der Inszenierung zu sein, denn schon hetzt Schubert weiter und über alles ergießen sich die schmierigen Klänge des amerikanischen Du-kannst-alles-schaffen-Orches-ters.
»SCHAU AUF DEIN LEBEN! SCHAU AUF DEINEN TAG! ICH FRAGE DICH: WO BIST DU DER RED ADAIR?«
Der Sitzkauz neben mir wirft sein Schulheft weg, springt von seinem Sitz auf und klatscht in die Hände. Bricht denn keiner dieses unsägliche Spektakel ab? Auch andere Teilnehmer stehen von den Sitzen auf. Schubert joggt inzwischen durch den Gang wie ein wildgewordener Quizmaster und stachelt die brodelnde Meute weiter an.
»BREITE DEINE FLÜGEL AUS! LASS DIE HÜHNER UN-
TER DIR! MACH DAS, WAS DU AM LIEBSTEN MACHST UND BEANTWORTE NUR DIESE EINZIGE FRAGE: WO BIST DU DER RED ADAIR?«
Ich schlucke, reiße meinen Kopf herum und sehe nun auch Shahin aufgeregt vom Sitz springen und rufen:
»Ich bin der WEB
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