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Millionär

Millionär

Titel: Millionär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
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rund!«
    »Echt? Kraaass!«
    Ruckelnd und ratternd erreichen wir die nächste Haltestelle. Der Ei-Brötchendackel neben mir steht hastig auf und schafft es mitsamt Zwiebelstück im Mundwinkel gerade noch nach draußen, bevor sich die Türen wieder schließen. Ich atme erleichtert aus, rutsche einen Platz weiter ans Fenster und bin froh, dass ich nur noch eine Station bis zum Ziel habe.
    Mein Büro ist in einem Viertel, in dem es das ganze Jahr über aussieht wie direkt nach einem Bürgerkrieg. Ich hab mich dran gewöhnt. In Bagdad regt sich ja auch keiner mehr auf, wenn beim Nordic Walking plötzlich ein kaputtes Haus im Weg liegt. Im Zickzack-Kurs bahne ich mir meinen Weg durch zerbrochene Bierflaschen, Pizzareste und zerfledderte Baumarkt-Prospekte, kämpfe mich vorbei an hektischen TNT-Express-Boten auf orangenen Fahrrädern und schnauzbärtigen Gemüsehändlern mit Migrationshintergrund. Kurz vor dem Büro donnert ein Müll-fahrzeug der Abfallwirtschaftsbetriebe Köln an mir vorbei. Auf der Seite des Wagens steht in bierkastengroßen Lettern: Für ein sauberes Köln. Für Sie. Ist natürlich auch ein Konzept: mit genialem Marketing und High-Tech-Müllwagen immer wieder am Abfall vorbeifahren. Bestimmt machen sie inzwischen nur noch Digitalfotos vom Müll und werfen die Dateien dann auf ihrem Rechner in den Vista-Papierkorb.
    Zwei zerbrochene Beck's-Flaschen später bin ich bei »Sha-hin's Web World«, einem abgeranzten Orient-Internetcafe, das man ebenso gut »Tausend und ein Internet« nennen könnte. Zumindest hat mir Pächter Shahin bis heute nicht erklären können, was Wasserpfeifen und persische Teppiche mit dem World Wide Web zu tun haben. Vielleicht sind es W-LAN-Wasserpfeifen, die man auf den bunten Sitzkissen sogar dann rauchen kann, wenn sie noch im Regal stehen.
    Mit einem schwungvollen »Morgen, Shahin!« öffne ich die mit Postern für persische Disco-Events zugeklebte Eingangstür und gehe schnellen Schrittes auf Computer 7 zu, meinen Stammplatz. Der unschlagbare Vorteil meines Büros ist, dass ich hier von neun bis zwölf für nur einen Euro ins Netz kann. Bei monatlich zwanzig Arbeitstagen macht das eine durchschnittliche Büro-Warmmiete von lächerlichen zwanzig Euro. Shahin ist ein wenig älter als ich, persischer Herkunft, hat rappelkurze schwarze Haare und einen stets gleichlangen Fünftagebart. Shahin und ich, wir sind fast so was wie Freunde geworden, seit ich Stammgast in der WebWorld bin. Besonders aktiv ist er allerdings nicht; auch heute kauert er hinter seinem selbstgezimmerten Baumarkt-Tresen, zieht an seiner Wasserpfeife mit Apfel-Teer-Geschmack und liest in einem Buch.
    »Morgen, Simon! Bist ja super-pünktlich heute!«
    »Muss! Was lieste?«
    »Die Vermessung der Welt.«
    »Und? Wie groß isse?«
    Schmunzelnd deutet Shahin auf eine große, billige Plastikuhr mit Coca-Cola-Schriftzug. »Ist aber eigentlich noch gar nicht neun.«
    Ich schaue auf die Uhr. Es ist tatsächlich erst 8 Uhr 57. So früh war ich noch nie hier.
    »Jetzt komm schon, Shahin, die drei Minuten, ich hab den Arsch voll zu tun!«, flehe ich.
    »Also gut, leg los, mein Bichareh!«
    »Nenn mich nicht Bittscharäh, wenn ich nicht weiß, was das heißt!«
    »Okay.«
    Ich lasse mich in die Lehne eines quietschenden Billig-Stuhls fallen und packe fein säuberlich meine Sachen aus: mein postgelbes Notizbuch, meine zwei Kugelschreiber von »Sensationell«, der neuen TV-Produktionsfirma meines Kumpels Phil, eine Banane und eine der sechs Orangensaft-Tüten, die man mir als Entschädigung geschickt hat, weil ich bei der Sunkist-Verbraucher-Hotline behauptet habe, mir beim Joggen den Strohhalm ins Auge gepiekst zu haben.
    Ich ziehe die speckige Tastatur zu mir und tippe wie jeden Morgen spiegel.de in die Adresszeile des Browsers. Ja, ich bin spiegel.de-süchtig. Vielleicht liegt es ja daran, dass ich den kompletten 11. September 2001 im Phantasialand Brühl verbracht und mich dann am Abend gewundert habe, dass ich mir am Abend als Einziger im Kino »Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug« angeschaut habe. Seit diesem schrecklichen Tag hab ich die ständige Angst, dass gerade irgendwas Schreckliches passiert und ich nichts erfahre davon: dass ich mein Altpapier zum Container trage, während gerade das sicherste Atomkraftwerk Deutschlands in die Luft geflogen ist oder dass ich mir gerade eine komplette Staffel Stromberg anschaue, während die US-Armee Liechtenstein besetzt.
    Heute ist nichts passiert. Gott sei

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