Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Millionär

Millionär

Titel: Millionär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
Vom Netzwerk:
Grube von beeindruckender Tiefe ausgebuddelt, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass der arme Herr Karl eines Abends hineinfällt und sich alle Knochen bricht. Auch dies hat nicht geklappt bisher. Man braucht kein Baulöwe zu sein, um zu ahnen, was ein solches Grundstück in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt wert sein muss. Ich bin recht froh über unsere Entscheidung, bei diesem miesen Spiel außen vor zu bleiben. Ein kleines Kribbeln im Bauch spüre ich dennoch, als ich die zwei flachen Stufen zur Eingangstür hochsteige und den Klingelknopf drücke. Eine aufdringliche Glocke rappelt so wie früher in der Schulpause, doch von drinnen nichts als Stille. Ich klingle, klopfe und rufe - keine Reaktion. Ich gehe ums Haus rum und schaue ins Wohnzimmer: kein Licht, kein Geräusch und keine Bewegung. Seltsam. Hat der nette Herr in Anbetracht der Baggerarmada vor seinem Gärtchen vielleicht doch schon die Biege gemacht? Ein wenig ratlos setze ich mich auf eine Stufe vor die Eingangstür und überlege, was ich tun soll. Da sehe ich einen recht dürren Mann in einem grünlichen Anzug, der sich mir mit einer Brötchentüte nähert. Ich erhebe mich, klopfe mir den Hosenboden sauber und trete einen Schritt vors Haus. Der Mann im Anzug kommt strammen Schrittes auf mich zu und ich erkenne eine frappierende Ähnlichkeit zu Montgo-mery Burns von den Simpsons: grauer Haarkranz, grüner Anzug mit Krawatte und so wenig Kilo auf den Rippen, dass er schon dann halbtot umfällt, wenn er mal gegen eine Blume läuft.
    »Verschwinde von meinem Haus, du Paragraphen-Pisser!«
    Okay. Offenbar hat er doch ein wenig mehr Energie.
    »Herr Karl?«
    »Worauf du deinen breitstudierten Pickelarsch verwetten kannst.«
    Ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen, stakst Mont-gomery Karl an mir vorbei und schließt die Eingangstür auf. Irgendwie scheint mir, dass er mich falsch einschätzt.
    »Ich bin kein Anwalt, Herr Karl. Und ich bin auch nicht von der Immobilienfirma!«
    »Schade. Ich hab mir ein paar schöne neue Schimpfwörter ausgedacht auf dem Weg. Was halten Sie von Immo-Stricher oder Dämmstoff-Kiffer?«
    Herr Karl schließt ein weiteres Schloss auf. Offenbar hat er sich richtiggehend verbarrikadiert.
    »Na ja .«
    »Baggerschlumpf? Puffgezeugter Hafen-Makler? Oder warten Sie: Fassadenfurz!!!«
    »Herr Karl, ich muss wirklich dringend mit Ihnen reden.«
    »Ha! Fassadenfurz!!!«
    Die Tür springt auf und Herr Karl betritt seine Wohnung. Als er die Tür schließen will, schiebe ich meinen Fuß in den Spalt. Keine gute Idee. Ich bin überrascht, mit wie viel Kraft der alte Herr mir seine Hacken auf die Zehen haut.
    »Baggerschlumpf!!!«
    Schreiend ziehe ich den Fuß zurück.
    »Herr Karl! Jetzt hören Sie mir doch mal zu. Ich bin kein Baggerschlumpf! Ich will Ihnen ein Angebot machen.« »Haben Sie 'ne Ahnung, wie viele Angebote ich schon bekommen habe?«, krächzt es durch die Tür.
    »Nein.«
    »Dreiundzwanzig!«
    Ich poche an die Tür. Langsam lässt auch der Schmerz im Fuß nach.
    »Bitte glauben Sie mir. Ich bin weder Anwalt noch von der DRE.«
    »Beweisen Sie's!«
    »Wie soll ich denn beweisen, was ich nicht bin? Hallo?«
    Ich klopfe noch einmal gegen das Holz, doch es scheint niemand mehr dahinter zu stehen.
    »Herr Karl?«
    Plötzlich kracht direkt neben mir ein Blumentopf auf den Boden. Ich springe zur Seite und schaue nach oben.
    »Bitte recht freundlich lächeln!«
    Es blitzt kurz, dann schließt sich das Fenster wieder.
    »Herr Karl! Bitte! Ich könnte Ihnen meinen Personalausweis zeigen und eine Bescheinigung vom Arbeitsamt, die besagt, dass .«
    »Schnickschnack!«
    »Schauen Sie mich an. Haben Sie jemals einen so billigen Anzug gesehen? So was trägt kein Anwalt und auch keiner von der DRE!«
    Es war mein Anzug, der ihn überzeugt hat. Eine Viertelstunde später sitze ich bei einer Tasse Kaffee in einem mit lindgrünen Streifen tapezierten Wohnzimmer im Wunder-von-Bern-Stil. Als geschmackliche Höhepunkte sind neben der Tapete vor allem ein brauner Nierentisch sowie eine riesige Musiktruhe zu nennen, aus der gerade ein deutscher Schlager suppt mit dem seltsamen Refrain »Auf Kuba sind die Mädchen braun«. Ich komme mir vor, als hätte ich mich soeben mitten in die 50er Jahre geschossen. Und dann ist da natürlich noch Herr Karl selbst, der mit einer Zigarre, die beinahe dicker ist als er selbst, in einem gelben Stoff-Ohrensessel sitzt, mit einem PolaroidFoto wedelt und mich amüsiert mustert.
    »Habe ich Sie richtig verstanden?

Weitere Kostenlose Bücher