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Millionär

Millionär

Titel: Millionär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
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aus mindestens zehn Apartmentblöcken a was weiß ich wie viele Einheiten. Neben einem Bild mit einer lachenden Familie steht: Carolinen-Höfe -Lebensglück ist planbar!
    »Ich soll ein Grundstück reinigen?«, frage ich erst verdutzt.
    »Ja. Das Grundstück wurde bis auf eine kleine Einheit bisher hauptsächlich vom Bundesamt für Güterverkehr genutzt. Sobald klar war, dass auch dieses Amt nach Berlin geht, durften wir abreißen.«
    »Und was soll da jetzt noch gereinigt werden?«
    »Dieser kleine Fleck hier. Ein Haus, das wir nicht abreißen dürfen. Ein Haus, in dem noch jemand wohnt, der sich standhaft weigert zu verkaufen.«
    »Und wo genau ist das Haus?« »Bedauerlicherweise so ziemlich in der Mitte.«
    »Und da wohnt noch jemand drin?«
    »Ein Herr Karl.«
    Mir schwant Böses.
    »Ein Herr Karl. Ich nehme an, Sie haben bereits alles probiert?«
    »Richtig. Drei Jahre geht das Ganze nun schon. Der Mann will nicht nur nicht verkaufen, seit einer Weile beschimpft er uns bloß noch.«
    »Und ... was soll ich jetzt ... -?«
    »Sagen wir so: In vier Wochen ist Baubeginn. Viele unserer Kunden haben schon reserviert oder gekauft. Jeder Tag, an dem ein solches Großprojekt in Verzug gerät, kostet uns eine knappe Million. Das Haus in der Mitte muss weg, egal wie.«
    Ich gleite einige Zentimeter unter den Tisch vor Schreck. Mit Beschwerde-Anrufen oder Laub zurückblasen hat das hier mal gar nichts mehr zu tun. Und genau deswegen gibt es auch soviel Schotter dafür. Shahin hatte Recht: Wir hätten uns genauso gut problempate.de, Deutschlands Erste Online-Mafia nennen können.
    »Wie viele Wohnungen sollen da gebaut werden, sagen Sie?«
    »Knapp unter tausend. Mit einem durchschnittlichen Kaufpreis von hundertfünfundneunzigtausend Euro. Macht also ein Gesamtvolumen von knapp zweihundert Millionen Euro.«
    Ich rutsche ein weiteres Stück nach unten auf meinem Stuhl.
    »Das ist wahnsinnig viel Geld!«
    »Geht so. Für die DRE ist es in erster Linie ärgerlich. Ich hab eben noch mit meinem Vorgesetzten gesprochen. Er ist bereit, auf fünfhunderttausend Euro zu erhöhen, wenn Sie das Problem lösen.« Vorsichtig ziehe ich mich selbst wieder auf Augenhöhe mit meinem Gesprächspartner.
    Fünfhunderttausend! Ich nehme einen Schluck Wasser.
    Für eine solche Summe sind handelsübliche Ausdrücke des Erstaunens wie »Oh« und »Ah« nicht mehr angebracht. Solche Summen rechtfertigen ein ebenso spontanes wie laut vorgetragenes »Ja, leck mich am Arsch!«.
    Mit der Zahlung kriege ich den Kredit sofort.
    Der Hauskauf wäre geritzt.
    Die Horrortussi verjagt.
    Die Freunde eingeladen.
    Die Steaks bestellt.
    Der Moet geköpft.
    Aber zu welchem Preis?
    Ich versuche mich ansatzweise zu sammeln.
    »Sie wissen, dass Sie zehn Prozent anzahlen müssen? Ich meine ... Sie kennen mich nicht.«
    Mein Gegenüber lächelt ölig.
    »Ich kenne Sie nicht, aber ein guter Bekannter von mir kennt Sie und beschreibt Sie als ... wie soll ich sagen ... äußerst gewitzt.«
    »Lassen Sie mich raten: Deutsche Bank?«
    »Falsch. Katholische Kirche. Ein Herr Westhoff.«
    »Oh!«
    »Nehmen Sie die Mappe mit, Herr Peters. Ihre Anzahlung steckt in einem Umschlag auf Seite sechzig, zwischen dem Foto von dem glücklichen alten Mann und den spielenden Kindern.«
    »Sehr spaßig.«
    »Das Leben ist hart. Was sagen Sie?«
    »Wie? Was ich sage?«
    »Machen Sie's?«
    »Was denken Sie, was ich mache?« »Ich denke, dass Sie's machen.«
    Ich stecke die Mappe in meine Tasche und greife mir meinen Laubbläser. Dann stehe ich auf und schüttle dem DRE-Vertreter die Hand.
    »Sie haben Recht!«
    angststarre
    Seit gut drei Stunden sitzen Shahin und ich nun schon im trüben Neonlicht der WebWorld und schweigen uns an. Alle paar Minuten durchbricht einer von uns mit einem leidlich durchdachten Vorschlag die nervöse Stille. Seltsamerweise fangen alle Vorschläge an mit »Und wenn wir . « und enden mit »Stimmt auch wieder«.
    »Und wenn wir ihn betrunken machen und dann von oben bis unten mit Nikotinpflastern vollkleben? Ich hab mal gelesen, dass man davon sterben kann!«
    »Super, Shahin. Dann wäre er tot! Das ist Mord.«
    »Stimmt auch wieder.«
    Es folgen meist mehrere Minuten konzentrierter Stille, in der wir abwechselnd die zwei Geldpacken aus dem Dom-Real-Estate-Ordner in die Hand nehmen, um sie Sekunden darauf mit einem Stirnrunzeln auf den speckigen Plastiktisch zu legen. Ich komme mir vor wie in einem billig produzierten VorabendKrimi - mit dem einzigen Unterschied,

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