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Millionär

Millionär

Titel: Millionär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
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gespickt mit Polaroid-Fotos in kleinen Rahmen. Verschreckte Makler, Anwälte und Banker in Business-Klamotten auf jedem einzelnen. Auf einem Foto erkenne ich sogar den Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma, auf einem andern Wolfgang Niedecken von BAP. Sie alle schauen nach oben in Karls Kamera, kurz nachdem der Blumentopf gefallen ist. Ein einziger Herr wurde offenbar von einem Topf getroffen und liegt am Boden.
    Es ist das Jüngelchen, das mir das Angebot gemacht hat, Herrn Karl zu eliminieren. Einen Scheiß werde ich tun, das ist ja sowieso schon mal klar. Nicht für diese Rasselbande. Ich stecke das Polaroid wieder ein und knarze mich ins Nachbarzimmer. Da drin sieht es aus wie im Versandhaus-Lager. Bis an die Decke stapeln sich die Bestechungsversuche der vergangenen zwölf Monate: Pralinen, Kartenspiele, Lampen, Kaffeemaschinen, Zigarren und Zigarrenzubehör und das BAP-Album Affjetaut. Die Fotos, die Geschenke und das Funkeln in den Augen des dürren Rentners - ich ahne, was hier los war in den letzten Monaten, und ich glaube, ich hätte es ganz genau so gemacht wie er. Ich schließe die Tür und gehe nach unten, da sehe ich Herrn Karl schon auf dem Boden liegen. Augenblicklich muss ich grinsen. Der Typ hat sie echt nicht mehr alle. Beneidenswert, wie er so still bleibt, ich würde am ganzen Körper zittern vor Lachen. Sogar Ketchup hat sich der Chef der Bekloppten neben seine Stirn geschmiert.
    »Lassen Sie mich raten, Herr Karl: Schlaganfall? Herzattacke? Oder einfach nur blöd gefallen?«
    Amüsiert beuge ich mich über Herrn Karl.
    »Ganz so realistisch muss es jetzt auch nicht sein! Herr Karl? Soll ich jetzt den Krankenwagen rufen oder Sie?« Nichts rührt sich. »Herr Karl?«
    Plötzlich weht eine eiskalte Stille durch den Flur. Meine Sinne werden stumpf. Ich muss mich setzen. »Herr Karl?«
    3,2,1 ... deins!
    Wenn mir mal jemand gesagt hätte, dass man so eine simple Telefonnummer wie den Notruf vergessen kann - ich hätte ihn ausgelacht. Aber jetzt? Stolpere ich durch Karls Häuschen wie ein übertakteter Duracell-Hase und hacke mit geweiteten Augen eine schwachsinnige Nummer nach der anderen in mein Handy.
    »Taxi Köln?«
    »Tschuldigung, verwählt.«
    »Pizza Company?«
    »Tut mir leid.«
    »Na, du geile Sau? Scharf auf eine heiße Nummer im Whirlpool?«
    »Äh ... heute vielleicht nicht.«
    Wertvolle Sekunden verrinnen, bevor ich beim Durchscrollen meines Handytelefonbuchs auf die Nummer von Dr. Parisi stoße. Als er wenige Minuten später in der Tür steht, freue ich mich wie Klinsi nach dem Argentinien-Spiel.
    »Dr. Parisi!«
    »Was hat er denn?«
    »Ehrlich gesagt, glaube ich, dass er tot ist!«
    »Dafür sieht er aber noch recht lebendig aus.«
    Ich deute auf Herrn Karl, der regungslos mit offenen Augen neben der Treppe liegt.
    »Ich meine IHN.«
    Der Schrecken fährt meinem Hausarzt recht geschmeidig ins Gesicht.
    »Meine Güte! Warum sagt er das denn nicht am Telefon?« »Ich hab doch gesagt, dass er keinen Puls mehr hat und die Augen geöffnet!«
    Wolken der Irritation kreisen in einer engen Umlaufbahn um Parisis Kopf.
    »Ja, aber ich dachte, Sie meinten sich!«
    Fachmännisch beugt sich Parisi über Herrn Karl, reißt mit einem lauten Ratsch das Hemd auf und legt ein silbernes Abhördings an. Ich stehe nervös daneben.
    »Was ist denn jetzt mit ihm? Also mit IHM!«
    »Pssst ...«
    Behutsam packt Parisi sein Abhördings zurück in den Ärztekoffer.
    »Ich vermute Herzinfarkt.«
    »Und jetzt?«, stammle ich. »Rufen wir die Polizei?«
    »Ich denke, ein Leichenwagen tut es auch.«
    Mir wird ein wenig schummrig.
    »Ich übernehme das hier, Herr Karl war ohnehin mein Patient. Und damit er sich beruhigt: Es war der vierte Herzinfarkt beim alten Karl. Seit Jahren sage ich ihm, dass die Zigarren ihn umbringen. Was macht eigentlich sein Augenzucken?«
    »Ich glaube nicht, dass er überhaupt noch was sieht.«
    »Ich meinte Ihres, also seins!«
    »Herr Parisi, wenn ich Ihnen das mal sagen darf: Sie sollten wirklich mit diesem Dritte-Person-Scheiß aufhören.«
    Parisi denkt kurz nach und nickt.
    »Wissen Sie was .? Ich glaube, da hat er Recht!«
    Eine knappe Stunde später sitze ich neben Shahin im InternetCafe und starre Löcher in die Luft. Auf dem Fußmarsch zur WebWorld habe ich zu jeder Sekunde gedacht, dass man mich gleich festnimmt. Shahin meint es ziemlich gut und sondert einen Trost nach dem anderen ab. Ich hingegen verhalte mich so verzweifelt wie eine pubertierende Elfjährige, der man

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