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Milner Donna

Milner Donna

Titel: Milner Donna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: River
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Bevor Nettie die Molkerei betritt. Und bevor Boyer von der Arbeit zurück ist. Kann ich weggehen, ohne ihn noch einmal zu sehen? Ohne der Wahrheit ins Auge zu blicken? Ohne herauszufinden, ob meine Wahrheit auch die seine ist?
    Und dann sehe ich den Namen meiner Mutter.
Nettie kam ohne anzuklopfen herein und schloss die Tür. Sie hob die Hand, bevor ich etwas sagen konnte. Sie trat näher und setzte sich mir gegenüber auf den Stuhl am Tisch. Sie forderte mich auf, still zu sein. Sie wolle nur so lange dort sitzen, bis Natalie in ihrem Zimmer sei.
Aber dann war es Nettie, die das Schweigen brach. »Ich will nicht wissen, was heute Nacht hier vorgefallen ist«, sagte sie nach ein paar Augenblicken. »Ich möchte dich nur daran erinnern, dass sie erst sechzehn ist.« Erneut hob sie die Hand, um jeder Antwort zuvorzukommen.
Sie legte die Hände wieder in den Schoß und sah auf sie hinunter. Ohne den Blick zu heben, fing sie kaum hörbar wieder zu sprechen an. »Ihr jungen Leute seid alle auf dem Holzweg«, sagte sie mehr zu sich selbst als zu mir. »So etwas wie freie Liebe gibt es nicht. Alles hat seinen Preis.«
Dann saßen wir, wie es den Anschein hat, stundenlang schweigend da. Als draußen die ersten Vögel zu singen begannen, blickte sie auf und sagte: »Du weißt, dass du fortmusst, nicht wahr?«
Ich nickte.
Sie stand auf und ging. An der Tür hielt sie noch einmal inne und sah mich an, dann sagte sie so leise, dass ich sie kaum hörte: »Nimm Boyer mit.«
    Ich lasse das offene Tagebuch in meinen Schoß sinken. Und da, zwischen den Seiten in der Mitte, steckt ein weiteres Stück Vergangenheit. Ich ziehe das alte Foto heraus, von dem ich glaubte, es sei vor langer Zeit verloren gegangen. River muss es gefunden haben. Ich betrachte die zusammengefaltete Schwarz-Weiß-Aufnahme. Rivers Gesicht lächelt aus der Zeit heraus. Ich falte das Foto vorsichtig auf, um nach dem anderen Gesicht zu suchen. Und da ist er: der junge Boyer, gegen den Stamm des alten Apfelbaums gelehnt. Er sieht River an. Und in diesem Blick lese ich jetzt so klar von der Liebe, die zu erkennen ich damals nicht imstande gewesen war.

55
     
    Z UM ERSTEN M AL seit über vierunddreißig Jahren ist unsere Familie wieder zur Abendessenszeit versammelt. Bevor wir uns alle an den Tisch setzten, haben wir uns im Wintergarten um Moms Bett herum aufgestellt und mit ihr gebetet. Ich habe ihre Hand gehalten und gespürt, wie die Kraft in sie zurückströmte, als sie mit geschlossenen Augen anfing, den Rosenkranz nachzusprechen.
    Als wir fertig waren, zog Mom Boyer zu sich heran. »Jetzt sieh zu, dass nicht alle rührselig werden«, hörte ich sie flüstern.
    Auf Moms Wunsch hin bleibt die Tür zum Wintergarten offen. Ich hoffe, dass sie sich sogar in ihrem Morphiumschlaf getröstet fühlt, wenn sie wieder einmal das lärmende Geschnatter ihrer Kinder am Esstisch hört.
    Meine Brüder sitzen auf ihren angestammten Plätzen. Der Meeresgeruch, der Morgans und Carls Kleidern entströmt, vermischt sich mit den Farmgerüchen, die an Boyer und Stanley haften. Ich frage mich, welche Düfte ich wohl an den Tisch mitbringe.
    Gavins Frau Cathy sitzt neben mir. Es war so einfach, diese selbstsichere junge Frau ins Herz zu schließen. Als Gavin uns miteinander bekannt machte, umarmte sie mich, ohne zu zögern. Ich sagte ihr, wie dankbar ich ihr sei, dass sie Gavin ermuntert hat, nach seinen leiblichen Eltern zu forschen. Und dass sie Molly zu uns gebracht hat.
    »Je mehr Leute Molly lieb haben, umso besser ist es«, antwortete sie mit einem Lächeln.
    Cathy blickt in die Runde und freut sich, dass sie so groß ist.
    Während ich diese Familie betrachte, ihre alten und die neuen Mitglieder, und die Art, wie sie miteinander umgehen, bemerke ich ein unbekanntes Glühen auf Jennys Wangen, während sie sich, was für sie ganz untypisch ist, über den Tisch hinweg mit Gavin unterhält. Unübersehbar ist ihre fast kindliche Bereitschaft, diesen älteren Bruder zu akzeptieren.
    Jenny legt eine Pause ein, um nach ihren gehaspelten Worten Luft zu holen. Dann lacht sie: »Hör mir mal zu! Ich bin ja eine richtige Chatty Cathy geworden! Stimmt’s?« Bestürzung huscht über ihr Gesicht, als Gavin seine Frau ansieht und die beiden dann losprusten. Jenny läuft tiefrot an, nachdem ihr dämmert, was ihr mit ihrer Anspielung auf die Quasselpuppe soeben herausgerutscht ist.
    »Chatty Cathy, Chatty Cathy«, wiederholt Molly.
    »Wahrscheinlich werde ich niemals erfahren, wie dieser Satz

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