Milner Donna
teilen. Dieses Mal werden wir es wirklich gemeinsam tun.
Boyer dreht sich auf dem Klavierschemel um, und zum ersten Mal sehe ich nicht die Narben meines Bruders, sondern sein schönes Gesicht. Und ich wende den Blick nicht ab. Ich werde ihn nie wieder abwenden. »Das ist immer schon mein Lieblingslied gewesen«, sage ich.
»Ich weiß«, antwortet er.
E PILOG
Atwood Weekly, 30. September 2004
Kontroverse um Denkmal für die amerikanischen Drückeberger entbrannt
Der Gemeinderat von Nelson hat eine Resolution verabschiedet, in der klargestellt wird, dass er mit dem geplanten Denkmal für die Gegner des Vietnamkriegs nichts zu tun hat.
Diese kleine Stadt in den West Kootenays, die bisher eher für ihre unberührte Landschaft und ihre Skipisten bekannt war, ist Zielscheibe von Beleidigungen und Boykottdrohungen erboster Amerikaner geworden.
Das von privater Seite finanzierte Denkmal wurde initiiert, um den annähernd einhundertzwanzigtausend Amerikanern Tribut zu zollen, die zwischen 1964 und 1977 nach Kanada flohen. Die geplante Bronzeskulptur sollte zwei Kanadier zeigen, die ihre Hand ausstrecken, um einen amerikanischen Drückeberger willkommen zu heißen.
»Das wird an das mutige Vermächtnis der Gegner des Vietnamkriegs und an jene Kanadier erinnern, die ihnen halfen, während dieser stürmischen Zeit in unserem Land heimisch zu werden«, sagte einer der Initiatoren des Projekts.
Seit der Bekanntgabe ist die Stadt Nelson mit einer Flut von E-Mails empörter Amerikaner überschwemmt worden, die ankündigen, die Gegend zu boykottieren. Ein wütender Bürger aus Knoxville, Iowa, nannte Kanada ein Land von »Feiglingen« und schrieb: »Wir sind klüger als ihr, stärker als ihr, und wir werden euch in eure verweichlichten Ärsche treten.«
Der Vorsitzende des Veteranenverbands »Veterans of Foreign Wars«, John Furgess, hat Präsident Bush mit Nachdruck aufgefordert, sein Missfallen angesichts des geplanten Denkmals zu bekunden, das er »eine Verneigung vor Feiglingen« nannte.
Doch nicht alle Reaktionen waren negativ. Viele Briefschreiber äußerten ihre Zustimmung zu einem Denkmal, das an Männer des Friedens erinnert, und zogen Parallelen zwischen dem Vietnamkrieg und den gegenwärtigen Ereignissen im Irak.
Isaac Romano, der Planer des Projekts, erklärte am Montag vor der Presse, das Vorhaben sei bis auf Weiteres gestoppt.
In einer separaten Presseerklärung distanzierte sich die Stadt Nelson von der Angelegenheit. »Ein Engagement seitens der Stadt«, sagte ein Gemeinderatsmitglied, »wäre für jene Vertreter unserer heimischen Geschäftswelt, die auf die Dollars amerikanischer Touristen angewiesen sind, eine Katastrophe.«
Ein warmer Aprilwind weht von den Vereinigten Staaten über die Grenze nach Kanada. Ein milder Luftstrom hebt und trägt ihn durch die Wälder und Täler der Cascade Mountains. In der Stadt Atwood erfasst ein Staubwirbel den leeren Milchbehälter eines Kindes. Das Kind sieht ungerührt zu, wie die kleine Plastikflasche davongetragen wird und über den Schulhof trudelt.
Der Wind frischt auf und wechselt die Richtung. Er weht wieder nach Süden, dreht sich um die Berghänge herum, tanzt durch Bäume und über Wiesen, bis er auf einem kleinen Bergsee landet. Das stille Wasser kräuselt sich. Blätter rauschen in dem Apfelbaum am Ufer. Weiße Blütenblätter lösen sich, segeln durch die Luft und taumeln sanft zu Boden. Wie Schneeflocken landen sie auf den Köpfen und Schultern von Bruder und Schwester, die Hand in Hand unter den Zweigen stehen. Zu ihren Füßen, unter dem Baum, befindet sich eine nagelneue Bronzetafel, auf der in erhabenen Lettern steht:
Z UR ERINNERUNG AN
R ICHARD A DAM J ORDAN
»R IVER «
1946–1968
»G ROß IST DER M ANN,
DER NICHT ZUR W AFFE GREIFT «
D ANKSAGUNG
Ich danke den Vielen, die mit mir auf diese Reise gegangen sind. Denjenigen, die von Anfang an dabei waren, und den anderen, denen ich unterwegs begegnet bin. Insbesondere meinen lieben Freundinnen Verena Berger und Joyce Aaltonen, die mich von den allerersten Schritten an begleitet haben. Ich danke euch beiden dafür, dass ihr einen Entwurf nach dem anderen geduldig gelesen oder euch angehört habt und es am Ende auch noch als ein Privileg bezeichnet habt.
Mein Dank geht auch an meine Tochter Tanya La-Fond, meinen Sohn Aaron Drake, meine Schwester Diane Jonas sowie an Kim Corless und Leanne Schultz. Ihr alle habt auf eure Weise dazu beigetragen, dass ich auf dem Weg blieb, der
Weitere Kostenlose Bücher