Mina_Hepsen_03-Unsterblich wie die Liebe
hat
dir eine erbärmliche Geschichte aus meiner Vergangenheit erzählt. Was kann ich
dafür?«
Er blickte sie
verwirrt an. Dann kniff er die Augen zusammen. »Liebst du ihn noch?«
Ihn noch lieben? Nell konnte nicht
anders, plötzlich musste sie lachen. Als sie Mikhails Gesicht sah, lachte sie
nur noch mehr.
»Nell?«, sagte er, so
verstört, dass Nell das Lachen verging. Sie seufzte.
»Tut mir leid«, sagte
sie, »aber wenn Sarah dir diesen Eindruck vermittelt hat, ist sie eine
schlechtere Klatschtante, als ich gedacht hätte!«
»Nun, sie hat nicht
viel gesagt...«, gestand Mikhail langsam.
Nell wandte ihm den
Rücken zu, nahm Katja hoch und setzte sich neben Mitja aufs Bett. Jetzt, wo sie
darüber gelacht hatte, fühlte sie sich seltsamerweise besser. Nun gut, dann
würde sie ihm eben jetzt schon die Geschichte erzählen.
»Ich nehme an, du
willst mehr über George erfahren?«
Mikhail nickte. »Es
gefällt mir nicht, der einzige Trottel zu sein, der nicht darüber Bescheid
weiß. Also ja, wenn's dir nichts ausmacht.«
Nell bekam
Gewissensbisse. Immerhin war George nur die Spitze des Eisbergs. Aber ihre
ganze restliche Lebensgeschichte? Nein, die würde er schon von anderer Seite
erfahren müssen. Sie brachte es nicht über sich, ihm zu erzählen, was dieses
Dorf ihr und ihren Eltern angetan hatte. Sonst hätte sie es keine Sekunde
länger hier ausgehalten.
»Es ist wirklich
keine sehr interessante Geschichte«, be gann sie. »Ich kannte George von klein auf.
Er ist ein paar Jahre älter als ich. Na ja, ich war in meiner
Jugend ein rich tiger Wildfang. Ich geriet
andauernd in Schwierigkeiten, kletterte auf Bäume, spielte
meinen Mitmenschen Strei che.« Nell seufzte. Eine unschuldige Zeit,
wenn sie so da ran zurückdachte.
»George arbeitete auf
der größten Farm in dieser Ge gend. Sein Vater ist der Pächter, weißt du.
Eines Tages, ich war zwölf, hatte ich es mir in den Kopf gesetzt, eine von den Kühen zu reiten.«
Mikhail grinste, und
das ermutigte sie.
»Es ging nicht gut
aus, wie du dir denken kannst. Die Kuh hat mich abgeworfen. George fand mich im
Morgengrauen. Ich hatte Prellungen und einen schlimm verstauchten Fuß. Er hat
sich um mich gekümmert und nie irgendwas verraten ...« Sie zuckte gleichgültig
mit den Schultern. Dabei war das einer der schlimmsten Tage ihres Lebens
gewesen. »Er wurde mein Held. Und das blieb er auch, jahrelang. Wir waren
unzertrennlich. Und an meinem achtzehnten Geburtstag hat er mich gefragt, ob
ich ihn heiraten will.
Ich war
überglücklich. Aber zwei Wochen vor der Hochzeit wurde meine Mutter auf einmal
krank. George war in dieser Zeit ganz seltsam, irgendwie distanziert. Er kam
kein einziges Mal zu Besuch. Und später, ja, da sagte er mir, er hätte seine
Meinung geändert. Er wolle mich nicht mehr heiraten. Und das ist das Ende vom
Lied.«
Nell schaukelte Katja
sanft auf ihrem Schoß und versuchte, nicht an die letzten Worte zu denken, die
sie und George
gewechselt hatten. Vergebens. Du kannst ihnen doch nicht glauben«, hatte sie gebrüllt,
aber George war unerbittlich gewesen. Deine Mutter ist verdammt. Und du
ebenso, Storm Witherspoon. Komm mir nie wieder unter die Augen.
Überrascht blinzelnd
stellte Nell fest, dass Mikhail sich über sie beugte. Mit unergründlicher Miene
streckte er die Arme aus. »Gib sie mir, Nell. Du solltest besser nach unten
gehen und dich um deinen Besuch kümmern.«
Wortlos reichte sie
ihm Katja und erhob sich. Erst als sie bereits an der Tür war, sagte er:
»Nell?«
Sie antwortete nicht.
»Ich begreife nicht,
wie der Mann dich gehen lassen konnte. George muss ein absoluter Dummkopf
sein.«
Nein, dachte Nell traurig, George ist klüger,
ab ihm selbst bewusst ist.
11. Kapitel
Es wird schon nicht
so schlimm werden«, beruhigte Mikhail Nell, während sie die Dorfstraße
entlanggingen. Ein seltsames Gefühl, zum ersten Mal seit Tagen ohne die Kinder
unterwegs zu sein. Aber Nell hatte sie nicht aus ihrem Mittagsschläfchen wecken
wollen. Morag würde schon gut auf sie aufpassen, meinte sie. Und obwohl Mikhail
erst seit wenigen Tagen im Cottage lebte, hatte er das Gefühl, der Alten
vertrauen zu können.
»Es ist einfach so
ein Pech«, klagte Nell, während sie mit gesenktem Blick an der Metzgerei
vorbeiging. Mikhail vermutete, dass sie den neugierigen Blicken auswich, die
sie heute besonders zahlreich verfolgten. Hinter jedem Fenster drückten sich
die Leute die Nasen platt. Er kam sich vor wie im Zoo. Oder wie in
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