Mina_Hepsen_03-Unsterblich wie die Liebe
kam
Violet ins Zimmer gestürzt. Zitternd eilte sie auf ihren Mann Patrick zu. »Es
ist Kiril, er ist auf dem Weg hierher! Ich kann ihn riechen, er wird gleich da
sein.«
Die Köpfe der beiden
Männer fuhren zu den Terrassentüren herum, die auf den weitläufigen Vorgarten
und das hohe Eingangstor wiesen.
Diesmal schaute
Violet Angelica an. »Mikhail ist nicht bei ihm. Und unsere Kinder auch nicht«,
stieß sie verzweifelt hervor.
10. Kapitel
Mikhail wurde durch
fröhliches Kinderlachen geweckt. Er schlug die Augen auf, und sein Blick fiel
auf das von der Morgensonne erhellte Zimmer. Ein hübsches Zimmer, wenn auch
ziemlich klein. Sein Zimmer, für die Dauer ihres Aufenthalts. Es wäre noch hübscher
gewesen, wenn er ein wenig mehr Platz gehabt hätte. Oder zumindest ein Bett zum
Schlafen.
Er warf einen
gereizten Blick auf das Sofa, auf dem er eine unbequeme Nacht verbracht hatte,
erhob sich und streckte seine verkrampften Muskeln. Er hatte in seinen wilden
Studentenjahren zwar schon an schlimmeren Orten übernachtet, aber nie für so
lange Zeit. Ob er sich vielleicht auf dem Fußboden ein Lager zurechtmachen
könnte? Der kleine Schreibtisch in der Ecke konnte doch sicher woanders
untergebracht werden, damit er mehr Platz hatte?
Abermals drang
Kinderlachen an sein Ohr und erinnerte ihn daran, was ihn geweckt hatte. Er
griff nach seinen abgelegten Kleidern und begann sich anzuziehen. Dabei fiel
sein Blick auf das Bücherregal, das eine ganze Wand des kleinen Zimmerchens
einnahm. Er würde die Büchersammlung des verblichenen Mr. Witherspoon,
Schullehrer, später genauer in Augenschein nehmen.
Er trat in den
schmalen Gang hinaus und ging die paar Schritte zum Wohnzimmer, dessen Tür
offen stand. Der Anblick, der sich ihm bot, ließ ihn innehalten. Nell saß in
einem schlichten weißen Baumwollnachthemd im Schneidersitz auf dem Boden vor
dem Kamin, in dem ein warmes Feuer brannte. Ihr dichtes braunes Haar hing offen
über Rücken und Schultern. Auf ihrem Schoß saß Mitja. Katja lag vor ihnen auf
dem Teppich und strampelte mit Armen und Beinchen.
Nell unterhielt die
Kleinen mit großen Gesten und komischen Grimassen.
Es dauerte einen
Moment, bis Mikhail klar wurde, dass sie ihnen die Geschichte von Heinrich
VIII. erzählte.
»Anne konnte flehen
so viel sie wollte, sie stieß auf taube Ohren beim König. Es war zu spät für
sie. Er befahl, sie fortzubringen und ihr den Kopf abzuschlagen!«
Nell brach
theatralisch zusammen, sehr zum Vergnügen der Kleinen. Mitja hüpfte begeistert
auf ihrem Schoß auf und ab und Katja, die nie hinter ihrem Cousin zurückstand,
krähte und fuchtelte mit den Ärmchen.
»Erzählst du ihnen
wirklich gerade die Geschichte von Heinrich VIII. und seinen zahlreichen
Frauen? Ich bin nicht sicher, ob das eine gute Kindergeschichte ist«, sagte
Mikhail belustigt. Er unterbrach sie nur ungern. Eigentlich tat er es nur, weil
er nicht länger ausgeschlossen sein wollte.
Nell setzte sich
erschrocken auf und starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. »Sie sind
schon wach?«
Mikhail hob eine
Braue. »Gut beobachtet.«
Er trat ein, ging zu
ihnen und setzte sich neben Katja auf den Teppich, die ihm auch sogleich eifrig
die Ärmchen entgegenstreckte.
»Meine Güte, das ist
mir aber peinlich«, stotterte Nell. »Warten Sie, ich ziehe mich rasch an.«
»Nein, bitte bleib.
Und du solltest mich duzen. Immerhin sind wir Mann und Frau.« Er lächelte
gewinnend.
Sie runzelte die
Stirn. »Also gut, aber ...«
»Bleib. Wir müssen
unbedingt etwas besprechen.«
»Kann das nicht
warten, bis ...«
»Nein.« Mikhail
wusste, wie lächerlich das war, aber er wollte nicht, dass Nell sich schon
ankleidete. Sie sah so reizend, so ... natürlich aus. Ihre Schönheit war
vollkommen ungekünstelt. So etwas kannte er nicht. Die Frauen, mit denen er in
London gelegentlich die Nacht verbrachte, hatten immer entweder irgendwelche
Schmuckstücke an oder trugen aufreizende, teure Negligés und ruhten auf
spitzenverbrämten Seidenkissen.
Aber Nell in ihrem
einfachen Nachthemd und den herrlichen, langen, kastanienbraunen Haaren, die Wangen
rosa vor Verlegenheit, war einfach nur wunderschön in ihrer Natürlichkeit.
»Also, worum geht
es?« Sie hielt Mitja an sich gedrückt, wie einen Schutzschild. Mikhails Lippen
zuckten. Er konnte es ihr nicht übel nehmen: Seine Gedanken waren nicht gerade
unschuldig.
»Wie's der Zufall
will, geht es um Kleidung. Wir brauchen beide etwas zum Anziehen und die
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