Mina_Hepsen_03-Unsterblich wie die Liebe
einer
Zirkusarena.
Dabei musste er an
seine Cousine Violet denken, die in einem Zirkus aufgetreten war, bevor sie
ihren Mann, Patrick, kennen gelernt hatte. Violet würde verstehen, wie er sich
im Moment fühlte, würde vielleicht sogar über sein Unbehagen lachen. Nicht dass
es ihn störte, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Er war schon immer ein
sehr geselliger - fast zu geselliger - Mensch gewesen, nicht nur weil dies in
seiner Natur lag, sondern auch um die Menschenscheu seiner Schwester Angelica
wettzumachen. Wie oft hatte er seine Freunde und Bekannten zu sich eingeladen,
nur damit sie ein paar Männer kennen lernte! Aber sein Plan war gewöhnlich nach
hinten losgegangen, denn Angelica hatte sich dann prompt in der Bibliothek
ihres Vaters verkrochen. Auf jeden Fall war Mikhail es gewöhnt, im Mittelpunkt
zu stehen, doch die Situation hier war anders, denn er konnte sich des nagenden
Gefühls nicht erwehren, dass alle in etwas eingeweiht waren, wovon er keine
Ahnung hatte.
Er warf einen Blick
auf die neben ihm gehende Nell. Sie verbarg etwas vor ihm, dessen war er sich
sicher. Die alte Geschichte mit George war nur Teil eines größeren Ganzen. Ein
Mann und ein Junge gingen an ihnen vorbei und erinnerten Mikhail wieder an das
Thema, über das sie gerade gesprochen hatten.
»Jetzt mach dir keine
Vorwürfe, Nell. Wie hättest du ahnen können, dass der Schullehrer vor einer
Woche weggezogen ist?«
»Ja, aber das mit dem
Schullehrer war doch bloß eine Ausrede! Und jetzt sollst du tatsächlich
unterrichten!« Nell machte ein ganz zerknirschtes Gesicht, wie so oft, seit der
neue Vikar an ihre Tür geklopft und Mikhail gefragt hatte, ob er die Stelle des
Dorfschullehrers übernehmen wolle.
Ihre Tür ... Seltsamer
Gedanke. Es war Nells Tür, Nells Cottage.
»Ich bin sicher, das
Unterrichten wird eine nette Erfahrung werden.«
Nell schaute ihn
skeptisch an, als sie wortlos weitergingen. Mikhail fing den bewundernden Blick
einer hübschen Rothaarigen auf, die vom
Schaufenster des Kaufladens zu ihm herüberschaute. Er lächelte ihr zu.
»Hast wohl ein Auge
auf sie geworfen?«, fragte Nell grimmig, während Mikhail ihr die Ladentür
aufhielt. Der Frau entging aber auch gar nichts! Beide traten ein, und Sarah
kam sofort hinter der Ladentheke hervor.
»Storm! Michael! Wie
schön, euch schon so bald wieder zu sehen. Was können wir für euch tun?«,
strahlte Sarah. Als sie die erstaunten Blicke ihrer anderen Kunden auffing, trat ein triumphierender
Ausdruck auf ihr Gesicht.
»Wir möchten etwas
bestellen«, verkündete Nell kühl, und erneut fragte Mikhail sich, was sie nur
gegen die Leute hier hatte.
»Selbstverständlich«,
nickte Sarah. Aber dann wandte sie sich an die übrige Kundschaft. »Einen
Moment, diese guten Leute hier hatten noch nicht das Vergnügen, deinen Mann
kennen zu lernen, Storm.« Die energische Ladeninhaberin schubste Mikhail
kurzerhand auf die vier Frauen zu, die ihnen erwartungsvoll entgegensahen.
»Alle mal herhören,
das ist Michael, Storms Mann. Er wird unser neuer Dorfschullehrer! Ach, schauen
Sie nicht so überrascht, Michael, Neuigkeiten sprechen sich hier schnell rum«,
sagte Sarah lachend. »Michael, das ist Meg. Sie arbeitet im Pub gegenüber.«
Die Rothaarige, die
er zuvor aus dem Schaufenster hatte starren sehen, klimperte scheu mit den
Wimpern. Mikhail musste ein Grinsen unterdrücken, als er Nell hinter sich leise
schnauben hörte.
Sarah stellte ihm nun
auch die Übrigen vor. »Storm, du hast Mary, die Frau des Vikars, wahrscheinlich
noch nicht kennen gelernt? Und das ist Tabitha, ihre Tochter.«
Mikhail lächelte dem
Mädchen mit den hübschen Zöpfen zu, und Nell äußerte einen höflichen Gruß.
»Und dann natürlich
unsere Grace«, fuhr Sarah fort und überhörte geflissentlich, wie Nell scharf
Luft holte. Mikhail warf einen besorgten Blick auf sie. Sie war leichenblass
geworden. Wer war diese Grace? Neugierig schaute er die Frau an, die soeben
hinter der Gruppe der anderen Kundinnen hervortrat.
»Grace Williamson,
von der Hampton Main Farm«, stellte Sarah sie vor. Mikhail lächelte zögernd,
nicht sicher, ob er die Farm kennen sollte oder nicht. Aber Grace schaute ihn
gar nicht an, ihr Blick hing beinahe sehnsüchtig an Nell. Da fiel ihm wieder
ein, was ihm der Milchmann heute früh erzählt hatte. Diese Frau wäre beinahe
Nells Schwiegermutter geworden. War Nell deshalb so blass?
»Hallo, Storm«, sagte
Grace zögernd. Sie war eine dünne, zarte Frau und
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