Mind Control
war nichts mehr wie zuvor gewesen. Die Menschheit war in eine Art Rausch verfallen, denn nun besaß sie die Technologie, um nach den Sternen zu greifen. Leider beflügelte dieser Fortschritt auch die Machtgier von Staaten und Konzernen. Das schreckliche Resultat konnte sich heute jeder auf der zerstörten Erde ansehen. Die Bedeutung der TransMattPortale für den stellaren und interstellaren Verkehr war seitdem ungebrochen, auch wenn es die Wissenschaftler bis heute nicht geschafft hatten, Sendebögen zu bauen, die Objekte ent- und rematerialisieren konnten, die über Shuttlegröße hinausgingen. Hinzu kam, dass sich auch an den Reisezeiten nichts geändert hatte. Für ein Lichtjahr Entfernung benötigte die TransMatt-Technologie einen knappen Monat, auch wenn dem Reisenden selbst das Durchschreiten eines Portals wie ein plötzlicher Effekt vorkam. Selbst die spätere Entdeckung von UFO-Sprungtriebwerken hatte daran nichts geändert. Die fremdartige Technik der geheimnisvollen Ancients ermöglichte zwar den Interim-Sprung ganzer Raumschiffe in viel kürzerer Zeit, doch dafür waren diese Sprünge überaus gefährlich. Der menschliche Körper schien für Reisen dieser Art nicht gemacht zu sein, sie regten die Zellen zu chaotischen Mutationen an. Nikolaj wusste nur zu gut, wie sich ein Körper verändern konnte. Verbittert schürzte er die Lippen und nahm eine Menükarte zur Hand, um sich abzulenken. Er brauchte dringend etwas zu essen.
»Herr Poljakow?«, sprach ihn eine Stimme auf Terra-Standard an.
Überrascht sah Nikolaj auf und entdeckte neben dem Tisch den ihm bekannten Vertreter von Artco Inc. Johnson strich sich nervös die blonden, modisch schräg geschnittenen Haare aus dem Gesicht, sah aber ansonsten so aus, wie Nikolaj ihn in Erinnerung behalten hatte: dunkler Anzug, Krawatte, Markenschuhe und in der Rechten ein teures Touchpad. Eben ein typischer Konzerner.
»Ah, Mister Johnson! Ich bin erfreut, Sie zu sehen.« Nikolaj fühlte sich in seinem khakifarbenen Aufzug plötzlich fehl am Platze. Er bot dem Konzerner einen Stuhl an und entdeckte den kraushaarigen Schwarzafrikaner hinter ihm. Sofort versteifte er sich. Alte Reflexe.
Johnsons Begleiter trug ebenfalls Anzug, allerdings war er von eher schlichter Machart. Der Afrikaner lächelte, und die weißen Zähne reihten sich in dem dunklen Gesicht auf wie Perlen. Dennoch wirkte der Mann alles andere als freundlich - im Gegenteil. Mit den grobknochigen Wangen, dem kantigen Kinn und Pranken, die selbst Roger und Jack beeindruckt hätten, ähnelte er eher einem dieser mit Kybertech aufgemotzten Konzerngardeure als einem Sekretär. Unwillkürlich wanderte Nikolajs Blick an der Anzugjacke des Mannes entlang, so als erwarte er dort die Ausbeulung einer Waffe. Doch da war nichts. Natürlich. Hier auf Luna war es so gut wie unmöglich, eine Waffe an den allgegenwärtigen Scannern vorbeizuschmuggeln. »Sie müssen Herr Bitangaro sein, der Marketing Secretary Assistent von Mister Johnson?«
»Richtig«, antwortete der Schwarze mit kehliger Stimme. Er lächelte noch immer sein Raubtierlachen.
Nikolaj glaubte dem Kerl kein Wort. Er tippte bei ihm auf Leibwächter. Die Frage war, wozu Johnson einen Mann wie ihn benötigte? »Aber bitte, warum stehen Sie beide noch? Der Tisch gehört uns.«
»Äh, ich befürchte, wir werden unser Treffen an einen anderen Ort verlegen müssen.« Johnson versuchte sich an einem Lächeln, doch es zerfaserte. »Die, äh, Sondergenehmigung muss erst noch ausgestellt werden.«
»Ich dachte, den bürokratischen Hickhack hätten wir bereits hinter uns?« War das ein Schweißtropfen, der auf Johnsons Stirn perlte? Irgendetwas stimmte mit dem Konzerner nicht.
»Ja, das ist so weit richtig, aber…«, hub Johnson gerade an, als ein mehrfach verzerrtes elektronisches Störgeräusch durch die Abfertigungshalle hallte. Das Programm vor ihnen auf der Tischfläche brach ab, und unter einer vertrauten Jingle-Melodie schob sich eine stilisierte Linse in der Vordergrund, in der sich Sterne und Planeten spiegelten: das Logo des interstellaren Nachrichtenmagazins Starlook. Nikolaj konnte sich nicht daran erinnern, den Ton laut gedreht zu haben. Zu seiner Irritation tauchte das Starlook-Emblem auch auf allen übrigen Bildschirmen in der Abfertigungshalle auf. Sogar drüben, auf den gigantischen Werbetafeln über den TransMatt-Schaltern, die eben noch Zigaretten, schnittige Antigrav-Gleiter und die weißen Strände des Planeten Kalahea Prime angepriesen
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