Mind Control
gefertigt, durch die malerisch das Licht des Sternenhimmels mit dem aufgehenden Vollmond fiel.
Erst auf den zweiten Blick durchschaute Nikolaj die Illusion. Das mit dem wolkenlosen Sternenhimmel kam hin, dafür sorgten die Wettersysteme über Lantis Island. Doch in Wahrheit ging der Mond über dem Reichenparadies im Moment als schmale Sichel auf. An den Wänden hingegen hingen gerahmte Folienbildschirme, die im Wechsel Bilder aus Müllers Privatleben zeigten. Darunter fanden sich auffallend viele Aufnahmen, die ihn lachend zusammen mit einem korpulenten Endfünfziger mit rotem Haarkranz zeigten. Offenbar war das Gerhard Müller, dieser Gewerkschaftsboss. Die Ähnlichkeit zwischen den beiden war unverkennbar, nur dass der Gewerkschaftler im Gegensatz zu seinem reichen Bruder erstaunlich schlecht sitzende dunkle Anzüge trug.
Amüsiert schlich Nikolaj an einem Heimkino mit gemütlichen Sitzgelegenheiten vorbei, erreichte ein Wohnzimmer mit luxuriöser Bar für bis zu dreißig Personen und konnte sogar das mit goldenen Hähnen verzierte Bad Müllers mit dem riesigem Marmorwhirlpool einsehen. Überall im Obergeschoss standen protzige Glasvitrinen herum, in denen Artefakte der Ancients auslagen. Nikolaj konnte nicht widerstehen, einige der rätselhaften Uralten-Relikte näher in Augenschein zu nehmen: steinerne Mauerfragmente mit hieroglyphisch anmutenden Symbolen, filigrane Statuetten von gesichtslosen Wesen mit pharaonisch anmutendem Kopfschmuck, ein bläulicher Kristallbrocken, in dem eine exotische Glockenblüte samt ebenso exotischem Insekt eingeschlossen war, eine grünlich angelaufene Metalltafel mit Sternensymbolik sowie ein halbverrostetes Ding, das verblüffend einer Schusswaffe ähnelte. Das viele tausend Jahre alte Material glänzte feucht, so als würde es die Luftfeuchtigkeit anziehen. Unvermittelt erklang ein leises Maunzen, und eine Siamkatze mit weißem Fell und dunkel gefärbten Stellen sprang in Nikolajs Blickfeld.
Das stolze Tier blieb stehen und starrte mit aufgestellten Ohren in seine Richtung. Ihn wunderte es nicht, dass die Katze seine Präsenz wahrnahm. Ihre Sinne waren deutlich besser ausgeprägt als die eines Menschen. Nikolaj fletschte die Affenzähne und knurrte leise. Sofort sauste die Katze davon.
Er hatte nicht einmal die Hälfte der Räume durchquert, als er endlich fand, was er suchte: Müllers Arbeitsbereich.
Das große Zimmer mit dem Parkettboden verfügte über einen Kamin, über dem ein antiquiertes Familienwappen mit Schilden und verschnörkeltem Efeu hing. Trotz der Nüchternheit war der Raum geschmackvoll eingerichtet: lederne Couchgarnitur in der Raumecke, zwei Kübel mit bis unter die Decke reichenden Farnen und ein Regal mit ausgesuchten Ancients-Relikten. Dominiert wurde das Zimmer von einem ausladenden Schreibtisch unter der Fensterfront, der aus sündhaft teurem Xeno-Holz gefertigt war. Das künstliche Mondlicht beschien Papiere, Ordner, Tab-Sheets und Touchpads und gleich mehrere Projektoren für Holobildschirme. Nikolaj schlich ohne zu zögern zum Schreibtisch und schwang sich auf den Stuhl. Sofort begann er mit seinen Affenfingern die in die Tischfläche eingelassene Tastatur zu bearbeiten. Vor ihm flammten gleich zwei Holobildschirme auf, die ein Passwort verlangten. Jetzt kam es darauf an.
Er kramte den CodeCracker aus der Beuteltasche hervor, stöpselte ihn in die Tischkonsole ein und baute mittels einfachen Tastendrucks eine Verbindung zum zentralen Bordcomputer der Nascor auf, der das Gerät jetzt autark steuerte. Die Rechenleistung des Geräts war beeindruckend genug, um mehr als nur die üblichen Firewalls zu knacken. Passwörter, die nicht mittels Logarithmen codiert waren, waren schon gar kein Problem. Während der CodeCracker arbeitete, nahm Nikolaj behutsam das Tab-Sheet auf dem Schreibtisch zur Hand. Die darauf gespeicherten Dateien stammten von ARStac und waren als geheim klassifiziert. Einige befassten sich mit Magnetresonanz-Tests an Ancients-Artefakten, andere mit einem unbekannten Planeten namens Tordesillas, der offenbar erst kürzlich entdeckt worden war und reiche Ausbeute an Ancients-Funden vorsprach. Müller empfahl in einer Randnotiz eine aggressive Übernahmestrategie, da der Planet auch von einem Unternehmen namens Stellar Exploration beansprucht wurde. Nikolaj überflog die Zeilen. Langsam machte sich die Entfernung bemerkbar, die er zwischen sich und Katharina überbrücken musste. Er öffnete ein Dossier, das sich mit geschichtlichen
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