Mind Control
begriff er, auf welche Weise es ihr gelang, dem seltsamen Instrument all die wundersamen Klänge zu entlocken. Nicht nur ihr linker Arm schien sich gestreckt zu haben, auch die Finger, die das unnatürlich lange Griffbrett des Instruments umfassten und die Saiten zupften, waren auf befremdliche Weise in die Länge gewachsen. Sie ähnelten jetzt mehr filigranen Spinnenbeinen denn menschlichen Gliedmaßen. Teufel, dieses befremdliche Detail hatten ihm die Pressefotos Chu Jiangs bislang vorenthalten. Offenbar hatte sich die Chinesin einer kybernetischen Operation unterworfen, um die Ancients-Violine überhaupt spielen zu können.
Die Entdeckung rüttelte ihn genug auf, um sich endlich seinem eigenem Vorhaben zuzuwenden. Nikolaj schloss die Augen, konzentrierte sich und versuchte der Kopfschmerzen Herr zu werden. Angesichts von Chu Jiangs elegischem Spiel, das die Hirnaktivitäten der Zuschauer auf erträgliche Weise in Gleichklang brachte, gelang es ihm schon beim zweiten Versuch. Müllers Luxus-Bungalow lag gute 400 Meter von der Bühne entfernt. Über eine solche Distanz Kontakt zu seinen Tieren aufzubauen, würde trotz des hinreichenden Trainings schwierig werden.
Suchend streckte er seinen Geist aus, und sofort dröhnten die mentalen Reflexionen der vielen Menschen um ihn herum wie Hornissenschwärme gegen sein Bewusstsein. Eine Pein, die schmerzte und gegen die er ankämpfte, als müsste er durch den zähen Schleim des Interims waten. Endlich durchstieß er den summenden Kokon, und kurz blitzten formbare Hirnaktivitäten unter der Grasnarbe des Grundstücks auf. Mäuse. Sein Geist wanderte weiter, bis er schließlich das Haus erreichte. Endlich fand er, was er suchte: Katharina! Ihre Hirnströme zogen ihn an wie ein Leuchtfeuer. Mit keinem anderen seiner Tiere konnte er so verschmelzen wie mit ihr. Niko-lajs Geist berührte auf vertraute Weise den Affenleib und übernahm vorsichtig ihr Bewusstsein. Obwohl er schon viele Male mit Katharina verschmolzen war, dauerte es diesmal etwas länger, bis sich ihre Hirnströme den seinen angepasst hatten.
Die Konturen des Terrariums schälten sich endlich vor seinem geistigen Auge heraus, und er begann den Baumstamm zu fühlen, auf dem die Affendame hockte. Zunehmend drangen auch die keckernden Laute der anderen Affen an sein Bewusstsein. Gleichzeitig verbesserte sich sein Geruchssinn auf eine Weise, die Schwindel in ihm hervorrief.
Nikolaj ließ sich Zeit, um sein Bewusstsein weiter mit dem der Äffin eins werden zu lassen. Ein Blick durch die Glaswand des Terrariums versicherte ihm, das die Umgebung frei von unerwünschten Zeugen war. Wie Roger es angekündigt hatte, befand sich der Stellplatz der Käfige in einer großen Garage. An den Wänden erhoben sich Regale mit Maschinenteilen und Schmiermitteln für Antigrav-Gleiter, doch die Garage selbst war für die Transportboxen ihrer Tiere und Last-Bots freigeräumt worden. Roger, Gwinny und er hatten abgesprochen, dass sie den zamblianischen Wüstenläufer, den Krebs und das Amöbenwesen von Tri Cross zurücklassen würden. Wie lange die Exos ohne entsprechende Pflege überleben würden, wusste er nicht. In den Boxen war es dann zwar recht eng, aber der Platz sollte ausreichen, um Bitangaros Leute aufzunehmen - ein Gedanke, der ihn rasend machte.
Bereits in einer Stunde würde Roger hier auftauchen, um die Boxen umzuladen. Er musste sich also beeilen. Da sich der rasende Herzschlag Katharinas endlich beruhigt hatte, setzte er sich in Bewegung. Mit der üblichen Gewandtheit brachte er sie dazu, vom Baumstamm zu springen und mit den Affenfingern nach der Tastatur des Zahlenschlosses zu tasten, das unter Streu verborgen an der Innenseite des Terrariums angebracht war. Er gab den Code ein, und die Tür öffnete sich. Geschwind schlüpfte er nach draußen und schloss die Tür wieder, bevor die anderen Beutelaffen auf die Idee kommen konnten, ihm nachzufolgen.
Unter Zuhilfenahme der langen Affenarme schwang sich Nikolaj hinüber zu den Regalen, suchte sie ab und nahm sein Mulifunktions-Tool und den stiftförmigen CodeCracker an sich, die sie beide in den Felltaschen der Beutelaffen eingeschmuggelt hatten. Roger hatte beide Gegenstände wie versprochen hinter einem klobigen Messgerät versteckt. Das Tool war mit SpotLight, Uhr, Messer, Glasschneider, Bohrer, Säge, Adrenalin- und Barbiturat-Injektoren sowie einem Taser ausgestattet, dessen elektrische Spannung ausreichte, sein Opfer wie vom Blitz getroffen zu Boden gehen zu
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