Mindhunter - Tödliche Gabe (German Edition)
auch dankbar, dass es trotz meiner fehlenden Begabung etwas gibt, das ich beitragen kann. Und, tja, du bist auch ohne Kontakt immer noch eine kerngesunde Einundsechzig. Aber das wird nachlassen – das wissen wir aus Erfahrung. Ich habe dich gescannt, nachdem du Shane und mich im Untersuchungsraum verlassen hast, und es dauerte nicht lange, bis …« Er blickte stirnrunzelnd auf den Bildschirm und Stephens unveränderliche Zahlen. »Obwohl Nähe vielleicht eine Rolle spielt. Also, ich denke, ich …« Er stand auf und zeigte aufs Bad. »Du bleibst hier, lässt den Sensor auf dich gerichtet und schaust auf den …«
»Schon klar«, sagte Stephen und sah stattdessen Elliot zu, wie er seine mittlerweile leere Kaffeetasse nahm und sie auf dem Weg zum einzigen Raum, der vom Rest der Wohnung durch eine Tür abgetrennt war, auf der Küchentheke abstellte.
Elliot machte das Licht an, erhellte das strahlend weiße Badezimmer und schloss die Tür fest hinter sich.
Die Wand war komplett verspiegelt, genau wie im Bad seiner eigenen Wohnung, und er sah sich an, während er vor der Toilette stand. Er hatte einen üblen Fall von Strubbelkopf – und Surrealitis bei der Vorstellung, dass er nackt in Stephen Diaz’ Bad pinkelte, nachdem er den Morgen in dessen Bett verbracht hatte.
»Ich fall ab«, rief Stephen aus dem Wohnzimmer.
»Schon? Das ging ja schnell«, rief Elliot mit lauter Stimme zurück, damit er durch die geschlossene Tür zu hören war.
»Ich bin bei sechzig.«
»Ein Quick-Scan ist ungenau«, erinnerte Elliot ihn. »Sechzig bei einem Quick bedeutet, du könntest überall zwischen Sechzig und Sechzig Komma neun-neun-neun liegen. Warte, ich bin in einer Sekunde …«
»Lass dir Zeit.«
Elliot zog ab, wusch sich die Hände und trocknete sie sich an einem von Stephens flauschigen Handtüchern ab. Sein Haar zu zähmen, brauchte er gar nicht erst zu versuchen. Dazu würde er unter die Dusche müssen, und …
Unter die Dusche wollte er wirklich, aber weniger wegen seiner Haare. Eigentlich kreisten seine Gedanken darum, wie er Stephen in die Dusche bekommen könnte, und … Na toll. Jetzt würde er mit einem beachtlichen Ständer hier rauskommen – obwohl, da hing ein dicker weißer Bademantel an einem Haken an der Tür. Er nahm ihn herunter und zog ihn an.
Er roch nach Stephen, was ihn nur noch mehr erregte, aber der Bademantel war dick und schwer genug, um –
»Oh, warte mal«, rief Stephen aus dem Wohnzimmer. »Jetzt bin ich wieder bei einundsechzig.«
Elliot machte die Tür auf und kam aus dem Bad. »Du bist runter und dann wieder rauf – während ich nicht im Raum war? Das ergibt doch keinen Sinn.« Er kam und sah auf den Computer – was nicht einfach war, solange Stephen dasaß und ihn ablenkte, groß und dunkel und nackt, wie er war. Aber dass die Linie abfiel und dann wieder anstieg, konnte er deutlich sehen. »Mist, ich wünschte, die Werte wären präziser. Hast du … irgendwas anders gemacht?«
Stephen breitete die Hände aus. »Nur hier gesessen.«
»Okay, dann … Woran hast du gedacht?«
Stephen blickte zu ihm auf. »An dich.«
»An mich, wie ich … ich’s dir besorge, bis du um Gnade bettelst?«
»Romantisch und poetisch.« Stephen lachte und zog Elliot zu sich, so dicht, dass sich ihre Beine berührten. Und wie zuvor sprang ihre Verbindung sofort an.
Der Groß-Than spielte alles noch mal ab, was er gedacht hatte, angefangen damit, dass er Elliot dabei beobachtet hatte, wie er nackt durch seine Wohnung gegangen war. Oh Mann, er ist so heiß, passiert das wirklich gerade? Gott, ich bin so glücklich. Vielleicht ist noch genug Zeit bis zum Meeting, um … Wow, nach alldem will ich immer noch mehr. Ich frage mich, ob er auch … Wenn nicht jetzt, dann später … Obwohl, ich kann ja nicht voraussetzen, dass er heute Nacht bei mir – Okay, mein Vernetzungsniveau sinkt, das muss ich Elliot sagen. Ja, mit der Ungenauigkeit eines Quick-Scan hat er recht. Huch, wie sieht denn mein Spiegelbild auf dem Bildschirm aus – ich sitze hier und grinse total albern. Himmel, ich hab schon warme Gedanken, nur von einem Gespräch durch eine geschlossene Badezimmertür. Und, na ja, vielleicht ist das doch nicht so albern. Nach über fünfzehn Jahren des Alleinseins … Aber jetzt …
Dann hatte sich Stephen einer ausgewachsenen Fantasie hingegeben und sich vorgestellt, Elliot käme aus dem Badezimmer, holte sich noch einen Kaffee und fühlte sich in Stephens Küche ganz wie zu Hause – die Fantasie
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