Mindhunter - Tödliche Gabe (German Edition)
Was stimmte nur mit ihr nicht? Anna nickte. »Kann ich mitkommen? Runter zur Sicherheit?«
Ein deutliches Nein war in seinen Augen zu lesen, doch er sagte: »Wenn du willst.«
»Tut mir leid«, entschuldigte sie sich. »Ich weiß, das Letzte, was du dir jetzt wahrscheinlich wünschst, ist eine Nymphomanin, die dir auf Schritt und Tritt folgt –«
» Das denke ich nicht«, sagte er. »Und das solltest du auch nicht. Menschen träumen ständig von Sex – ich glaube, es ist der dritthäufigste Traum. Gleich nach dem Fliegen und dem Ausfallen von Zähnen. Und die Gründe liegen ja auf der Hand, warum du dich in der derzeitigen Situation instinktiv zu mir hingezogen fühlst … Das ist nicht so überraschend, Anna. Und es ist keine so große Sache.«
»Na gut«, sagte sie. »Und ich würde wirklich gerne mitkommen.«
22
Mac stand mit geschlossenen Augen an der Stelle auf dem Bürgersteig, an der Nika Taylor entführt worden war.
Es lief nicht gut – das konnte Shane schon allein an der Art erkennen, wie sie dastand: die Schultern hochgezogen, wie zum Schutz vor einem eisigen Wind, obwohl der frühe Abend immer noch ziemlich warm war, der Kiefer und eigentlich der ganze Körper angespannt.
Shane kam näher und sprach leise. »Wie kann ich dir helfen?«
Mac öffnete die Augen, sah ihn an und machte sich nicht die Mühe, ihre bittere Enttäuschung zu verbergen. »Gar nicht«, sagte sie und ging wieder zum Auto, in dem Charlie am Rand der stark befahrenen Straße wartete. »Ich habe nichts empfangen.«
»Du hast doch gesagt, dass das passieren könnte«, erinnerte er sie, während er ihr folgte. »Dass solche emotionalen Bewegungen im Freien sich eher verflüchtigen.«
»Versuch bitte nicht, mich aufzuheitern«, sagte sie. »Ich bin sauer. Ich dachte, es würde funktionieren, jetzt, wo ich eine Zweiundsechzig bin. Und deinen Alles wird gut- Optimismus kann ich jetzt wirklich nicht gebrauchen. Also … hilf einfach irgendeiner alten Dame über die Straße.«
»Mann«, sagte Shane. »Ganz schön zickig.«
»Gewöhn dich dran«, sagte sie knapp und nahm auf dem Rücksitz Platz. »Oder noch besser, zieh Leine.«
Er stieg ebenfalls ein. »Hör mal, ich weiß, dass du sehr verärgert bist«, begann er.
»Machen wir, dass wir zurück ins OI kommen«, sagte Mac zu Charlie.
»Ja, Ma’am.« Er wechselte im Rückspiegel einen kurzen und mitfühlenden Blick mit Shane, bevor er auf die Straße fuhr.
»Mac«, hob Shane an, und sie wandte sich ihm zu.
»Bitte, ich muss die Augen zumachen. Nur ein paar Minuten. Ich brauche … Ruhe.«
Shane nickte. Das war nur fair.
Also fuhren sie schweigend durch die belebten Straßen der Stadt, bis sie schließlich auf die Mass Pike bogen, wo Charlie in den höchsten Gang schaltete.
Sie waren schon fast am OI angelangt, als Mac endlich wieder etwas sagte.
»Weißt du, wenn das geklappt hätte«, sagte sie, die Augen immer noch geschlossen. »Wenn ich Nika so einfach gefunden hätte, hätte ich es echt gemacht. Ich hätte uns beide für das Wohl der Menschheit geopfert. Aber es hat nicht geklappt, also, Gratulation. Ich entlasse dich hiermit.«
»Was?«, fragte Shane.
»Du hast mich gehört.« Sie öffnete die Augen und sah ihn an. Die eiskalte Fremde war zurück. Na toll. Aber er hatte Mac in den letzten paar Tagen verdammt gut kennengelernt, und er wusste, dass das Eis bloß eine Fassade war, um ihre Angst zu verbergen.
»Das Experiment Teil eins ist offiziell beendet«, sagte Mac zu ihm. »Vielen Dank. Weiter zu Teil zwei.«
»Teil zwei«, wiederholte er misstrauisch.
Mac hob leicht die Stimme. »Charlie, Lust auf eine Nummer? Sei mein Laborpartner. Mal sehen, ob du nicht mein Vernetzungsniveau durch den Austausch von Körperflüssigkeiten ausreichend steigern kannst.«
»Mac, hör auf«, sagte Shane. »Bring den Jungen nicht in Verlegenheit. Charlie, ignorieren Sie sie einfach, sie meint das nicht ernst.«
»Ja, Sir«, Charlie schaltete das Radio ein und legte einen Zahn zu, als sie auf die Ausfahrt bogen, was bedeutete, dass sie gleich zu Hause waren.
Zu Hause. Verrückt, dass Shane nach so kurzer Zeit schon an das OI als sein Zuhause dachte.
»Ich meine es todernst«, sagte Mac jetzt. »Woher soll ich denn wissen, ob du die einzige Person bist, die mein Vernetzungsniveau steigern kann, solange ich es nicht mit jemand anderem ausprobiert habe?«
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht der erste Mann bin, mit dem du geschlafen hast«, bemerkte Shane und
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