Mindhunter - Tödliche Gabe (German Edition)
mag ja sein«, sagte er in gleichförmigem Tonfall. »Aber, wenn es Ihnen zu viel wird –«
»Ich bin ziemlich sicher, dass ich Albträume bekommen werde«, sagte Anna zu ihm, als der Aufzug bimmelte und sich die Tür öffnete, »egal, was ich sehe.«
Er ging voran, und Anna fand sich in einem reich verzierten, altmodischen Eingangsbereich wieder, der in einen Korridor überging. In diesem Teil des schönen alten Gebäudes war eindeutig der ursprüngliche Prunk wiederhergestellt worden, mit glänzender Holzvertäfelung, die satt und dunkel wirkte, und blankem Marmorboden.
Die Aufzugstüren waren aus Messing, und der zweite Fahrstuhl öffnete sich mit einem weiteren hellen Wohlklang, als Anna hinter Bach daran vorbeikam.
»Hi.« Elliot tauchte auf, und bei ihm war eine zierliche Frau, die mit einer olivfarbenen Cargohose, klobigen Stiefeln und einer schwarzen Lederjacke bekleidet war. Ihr schmutzig blondes Haar war extrem kurz geschnitten, und ihr Gesicht war ein bisschen zu niedlich, um als schön durchzugehen. Dennoch hatte sie etwas an sich, das auf merkwürdige und verblüffende Art unwiderstehlich war, und wäre Anna gezwungen gewesen, die Frau mit einem einzigen Wort zu beschreiben, dann wäre es umwerfend gewesen. »Wir haben die Nachricht wegen der SAT-Bilder bekommen. Haben Sie sie schon gesehen?«
»Nein«, sagte Bach, »wir haben es auch eben erst gehört.« Er sah die schmale Frau an. »Geht es Ihnen gut?«
»Bestens, Maestro«, sagte sie. »Und Ihnen?«
»Ich hatte schon bessere Nächte«, sagte Bach zu ihr, und für einen Moment schien sie ehrlich überrascht über seine Offenheit. Sie verbarg es aber rasch, als Bach auf Anna zeigte. »Das ist Nikas Schwester. Anna Taylor, Dr. Michelle Mackenzie. Mac ist eine meiner Fünfziger.«
Dr. Mackenzie streckte die Hand aus, und Anna schüttelte sie – die Fünfzigerin mochte klein sein, aber ihr Händedruck war kräftig.
»Wir werden Ihre Schwester finden«, versicherte Mac, und als Anna sich zu Bach wandte, stellte sie fest, dass er sie beobachtete, als der Fahrstuhl erneut bimmelte.
»Hoffentlich helfen uns die Satellitenbilder dabei«, sagte er, als die Tür des ersten Aufzugs sich wieder öffnete und ein Mann heraustrat, dessen blendendes Aussehen geradezu deplatziert wirkte.
Der Mann stutzte, als er sie dort stehen sah, doch dann holte er tief Luft, zwang sich zu einem Lächeln und kam auf sie zu. »Ich schätze, wir haben alle die gleiche Nachricht bekommen«, sagte er mit einer vollen Baritonstimme, die ebenso schön war wie er.
Er war so groß, wie Mac klein war. Er war sogar größer als Elliot, und er überragte Dr. Bach bei Weitem – der aber dennoch völlig souverän und Herr der Lage schien. Teilweise vermutlich, weil der XXL-Mann Bach mit einem Nicken und einem sehr respektvollen »Sir« begrüßte. Dann wandte er sich Anna zu. »Ms Taylor.«
»Das ist Dr. Stephen Diaz«, sagte Bach zu Anna. »Mein anderer Fünfziger.«
Anna streckte die Hand aus, um ihn zu begrüßen, als Elliot plötzlich vortrat. »Seien Sie vorsichtig –«, warnte der Doktor, unterbrach sich dann aber, als sie Diaz’ Hand ergriff.
»Ich bin sicher, dass wir auf den Bildern irgendeinen Hinweis auf Nikas Entführer finden«, sagte Diaz und strahlte felsenfeste Zuversicht aus, während er auf Anna hinabblickte. Seine Augen waren von einem schönen Grünton, der im Kontrast zu seinem dunklen Gesicht noch heller wirkte.
»Das hoffe ich«, antwortete sie ihm und warf Elliot einen fragenden Blick zu – weswegen vorsichtig? –, aber der hellhaarige Doktor brachte nur mühsam ein Lächeln hervor und schüttelte den Kopf.
»Dann wollen wir mal«, sagte Mac.
»Sind Sie bereit?«, fragte Bach Anna, und sie nickte. »Wir haben einen Raum hergerichtet, um uns die Bilder anzusehen. Wir sind in Arbeitsraum Drei«, sagte er zu seinen Teamkollegen und ging voran.
»Ich habe die Berichte noch nicht gelesen«, sagte Mac zu Bach. »Seit wann genau wird das Mädchen vermisst?«
Während Bach sie über die Einzelheiten von Nikas Verschwinden in Kenntnis setzte, sprach Elliot leise mit Diaz. »Ich habe Ihren Scan gesehen«, sagt er. »Danke, dass Sie mich in cc gesetzt haben.«
»Oh«, sagte Diaz. »Ja. Kein Problem, Doktor.«
»Es scheint Ihnen … gut zu gehen.«
»Ja«, sagte Diaz wieder. Er räusperte sich. »Es war trotzdem eine harte Nacht.«
»Und sie ist noch nicht vorbei«, betonte Elliot. »Es ist noch nicht mal drei Uhr morgens – oder sollte ich sagen
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