Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma
habe nicht nachgedacht. Der Ablauf der Ereignisse war äußerst strapaziös …« Er verlor den Faden.
»Ich nehme es ein«, sagte Eleanor.
»Keine Chance!« raunzte Greg.
»Wieso nicht? Diese spezialisierten Neurohormone sind darauf ausgelegt, einzelne Psibegabungen zu verstärken. Jeder mit auch nur einer schwachen Psifähigkeit müßte sie einnehmen können. Und du hast immer gesagt, ich wäre sensitiv.«
Gregs Gesicht lief dunkel an. »Das ist wohl kaum eine qualifizierte, objektive Meinung.«
»Was haben wir denn zu verlieren? Falls es nicht klappt, ist das auch keine Katastrophe; wir setzen dann die Ermittlungen fort wie bisher. Wenn es funktioniert, finden wir heraus, wer der Mörder ist.«
Es war sehr eigenartig; Julia beobachtete Greg, wie er sich auf eine Tirade vorbereitete, und versuchte verzweifelt, auf eine Idee zu kommen, wie sie die Situation entschärfen konnte, ehe es zu einer heftigen persönlichen Auseinandersetzung kam. Sie wußte aus eigener Erfahrung, wie energisch Greg werden konnte, wenn er wirklich aufgebracht war. Und Eleanor war genauso schlimm. Beides komplette Sturköpfe. Aber da passierte irgend etwas, denn Greg warf Eleanor auf einmal einen verdutzten, fast ehrfurchtsvollen Blick zu und lehnte sich schlaff zurück; der Zorn sickerte sichtbar aus ihm heraus.
»Was ist los?« wollte Eleanor wissen, die mit einem finsteren Blick auf sein Verhalten reagierte.
»Nichts.«
Was Julia nicht eine Sekunde lang glaubte.
»Du meinst, du hast keine Einwände?« fragte Eleanor voller Argwohn.
Er grinste lahm. »Nein.«
»Oh.«
Julia sah hilfesuchend Morgan an, aber er brachte auch nicht mehr zustande als eine verwirrte Grimasse. Sie wurde einfach nicht schlau daraus, warum es sich Greg so plötzlich anders überlegt hatte. Der Umschwung war so schnell erfolgt, daß sie sich versucht fühlte, es eine Offenbarung zu nennen.
»Falls Gabriels Präkognition beispielhaft ist, müssen wir das Experiment auf Launde Abbey durchführen«, sagte Greg. »Es würde dir ganz schön schwerfallen, die temporale Verschiebung eines Ortes außerhalb der unmittelbaren Umgebung zu erfassen. Stimmt’s, Gabriel?«
»Stimmt.«
»Okay, zwei Punkte. Na ja, eigentlich drei. Ich überwache deinen Versuch mit meiner empathischen Fähigkeit, oder versuche es wenigstens. Ich möchte, daß du mit einem Schlafinduktor ausgestattet wirst; sollte irgendwas schiefgehen, spüre ich es und kann dich einfach in Schlaf versetzen, bis die Wirkung des Neurohormons nachläßt.«
»Gute Idee.« Sie schien erleichtert darüber, daß Greg die Sache ernst nahm.
»Gabriel, ich hätte dich gern als Beraterin dabei. Sie ebenfalls, Doktor, wenn Sie es einrichten können.«
»Ich nehme gern daran teil«, erklärte Cormac Ranasfari steif.
»Und da wir schlußendlich Vernon Langley und sein Team nicht ausschließen können, schlage ich vor, es auch gar nicht zu versuchen. Aber ich möchte, daß er Nicholas Beswick mitbringt.«
»Warum?« fragte Julia.
»Das sehen Sie morgen. Wenigstens denke ich das.«
Kapitel fünfzehn
Eine aufgewühlte Wolkendecke breitete sich am nächsten Morgen über dem Chatertal aus, und ein östlicher Wind verstreute dünne Vorhänge aus Nieselregen über den Hängen von Launde Park. Der Fluß stand nur noch wenige Zentimeter über der Brücke, als der EMC Ranger hinüberplatschte. Greg fuhr an den Seen vorbei, voller Hoffnung, daß er sich diesmal endlich erinnerte. Und wurde erneut enttäuscht.
Vielleicht hatte Vernon inzwischen ja etwas in den Polizeiakten entdeckt.
Eleanor saß auf dem Beifahrersitz und blickte hinaus in den ungleichmäßigen steingrauen Nieselregen. Sie hatte für den größten Teil der Fahrt geschwiegen; Gregs außersinnlicher Wahrnehmung entging ihre nachdenkliche Stimmung nicht, obwohl sie darauf achtete, ein neutrales Gesicht zu machen.
Er bog in die Einfahrt zur Abtei ab.
»Du weißt genau, was ich denke«, sagte er. »Was bedeutet, daß es sinnlos wäre, wenn ich es ausspräche. Also sage ich es trotzdem. Im Grunde wollte ich von Anfang an nicht, daß du das machst, und wenn du noch aussteigen möchtest, hindere ich dich nicht daran.«
Sie beugte sich herüber und gab ihm einen leisen Hauch von Kuß. »Wieso dann gestern diese dramatische Kehrtwendung?«
»Weil … Na ja, du wirst es gleich sehen.«
»Klingt faszinierend. Werde ich es mir dann anders überlegen?«
»Nein. Ganz im Gegenteil.«
Sie musterte ihn ein weiteres Mal auf ihre durchdringende Art
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