Mindstar 03 - Die Nano-Blume
war mir so sicher! Ich hatte mir alles überlegt!
Zeig es mir.
Der Felsbrocken erinnerte Julia an Phobos. Er wies die gleiche öde, graugelbe Färbung auf und erinnerte von den Umrissen her an eine ramponierte Kartoffel. Nur daß er viel kleiner war als Phobos, kaum hundert Meter lang und sechzig breit. Kiley schwebte neben ihm; die Bilder der optischen Sensoren litten allerdings unter dem trockenen Nebel aus Ringpartikeln. Tanzende Flechten aus Staubkörnchen und Schwefelatomen schimmerten im grellen Sonnenlicht und bewegten sich träge.
Die Krümmung des Jupiters überdeckte in hundertzwanzigtausend Kilometern Entfernung das Sternenfeld. Selbst aus dieser Höhe waren die tanzenden Lichter der dunklen Seite mühelos sichtbar. Wie die Städte der Erde, dachte Julia, und die Idee verzerrte für einen Augenblick die Proportionen.
Kileys Nahbereichssensoren rührten sich jetzt und konzentrierten sich auf den Felsen. Die Zeitalter hatten an ihm genagt; die unaufhörliche Liebkosung des Staubes hatte die Oberfläche abgetragen. Aufschlagskrater und zerklüftete Bruchklippen waren zu sanften Kurven abgeschliffen worden. Ein Ende des Felsens zeigte ein weißes Spritzmuster aus gefrorenem Methan, dessen sich verjüngende Ausläufer ihn fast auf einem Drittel seiner Länge im Griff hielten.
Laser tasteten den Felsen von einem Ende zum anderen ab und erstellten mit Hilfe der bordeigenen Lightwareprozessoren ein kartographisches Profil. Präzisionstriebwerke zündeten ihr kaltes Gas und führten die Sonde zentimeterweise näher heran. Als sie nur noch einen Meter über dem Gestein schwebte, fuhren Mikrofokus-Lichtverstärker auf Teleskoparmen aus den Vertiefungen hervor, in denen sie das Ende der Flugphase abgewartet hatten, und orientierten sich nach der Oberfläche. Das Bild wechselte zu einem mit Gesteinsbrocken übersäten Mondmeer; Julia wußte, daß sie die Staubkörnchen sah, die an dem Felsen klebten. Die Lightwareprozessoren von Kiley starteten jetzt ein spektrographisches Analyseprogramm. Julia verfolgte, wie die Abbildung erneut umsprang; es sah jetzt aus, als wäre sie mit einem Gitternetz aus quadratischen Linsen überzogen. Daten strömten in die Lightware der Sonde, als die verschwommenen Flecken einer nach dem anderen untersucht wurden.
Kileys Lichtverstärker suchten jeden Quadratmeter Gesteinsfläche Millimeter für Millimeter ab; dann zündete die Sonde erneut ihre Kaltgastriebwerke und fuhr zum nächsten Abschnitt weiter. Und weiter und weiter.
Beim vierten Mal leuchtete eines der Gitterquadrate rot auf. Die acht umliegenden Felder wurden von dem spektrographischen Programm sofort noch einmal untersucht. Es registrierte Kohlenstoff, Wasserstoff und Spuren verschiedener Minerale.
Der Block aus Quadraten wurde größer, füllte Julias ganzes Blickfeld aus und fand seinen Brennpunkt wieder.
Da, sagte Royan ehrfürchtig. Mitten in einer Wüste, die trostloser ist als Gomorrha: Leben! Und was für ein Leben!
Das Lichtverstärkerbild hatte jetzt die höchste Auflösung erreicht und war auf einen Klumpen Mikroben konzentriert. Sie sahen aus wie verschmierter Kaviar, winzige, pechschwarze, klebrige Kügelchen; sie glitzerten in mattrosa Licht, das von der Albedo des Jupiters stammte.
Nenne ihn Jesus, nenne sie Gäa, nenne ihn Allah, sagte Royan. Welchen Namen ihm du auch geben möchtest, sag mir bloß nicht, daß Gott nicht existiert. Das wirkliche Wunder des Universums besteht im Leben selbst. Dem Schicksal überlassen, der zufälligen Bildung von Aminosäuren in der Ursuppe, wäre es nie entstanden. Nie! Vielleicht entwickeln wir uns so, wie es Darwin beschrieben hat, und vielleicht ist der Mensch auch nicht im Ebenbild Gottes erschaffen worden, aber dieser Funke, dieser allererste Funke, aus dem wir entstanden sind, er war kein Werk der Natur. Es war ein Segen. Wir sind nicht das Nebenprodukt eines gleichgültigen Kosmos, nicht nur ein chemischer Witz.
Du predigst einer Bekehrten, weißt du noch? Weder sein Ausbruch noch dessen Heftigkeit überraschten sie; sie beide entstammten einem starken, quasireligiösen Milieu, in ihrem Fall die Erste Heilskirche, in seinem die Trinities; ein weiterer Faden in dem Band zwischen ihnen.
Der Probenarm fuhr aus Kiley hinaus, und die mikrofeinen Krallen schlossen sich um den Mikrobenklumpen. Der Arm faltete sich wieder zusammen und deponierte sie behutsam im Sammelbehälter.
Erneut wurden die Kaltgastriebwerke gezündet, und Kiley entfernte sich langsam vom
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