Mindstar 03 - Die Nano-Blume
lief.
Suzi hätte am liebsten geschrien. Sie sauste im freien Fall durch eine schwarze Ewigkeit. Die Plastikoberfläche des ringförmigen Gasbehälters war verschwunden, kaum daß sie abgesprungen war; der Spalt aus schwachem Licht, das durch den Riß hereinfiel, erlosch fast augenblicklich. Sie fand keinen Bezugspunkt mehr, konnte sich nicht mehr orientieren. Die Zeit schien sich zu dehnen. Es war, als würden einem die Sinne geraubt. Leol Reiger würde lachen, bis ihm die beschissene Birne platzte, wenn er sie so sehen könnte, dermaßen in Panik.
Stehenbleiben und kämpfen hätte verdammt viel mehr Sinn ergeben als das hier. Sie hätten den Laufsteg unter dem Teksöldner wegballern können; wäre gar nicht nötig gewesen, die Muskelpanzerung zu knacken. Hätten sie ihn doch einfach aus dem Luftschiff gespült! Zu spät. Und was wußte ein beklopptes Ware- Paket überhaupt von Taktik?
Ein Donnerschlag durchdrang das geschlossene Universum des ringförmigen Gasbehälters. Der Schall hallte rings um Suzi wieder, ein langgezogenes, gequältes Brüllen. Eine Explosion. Dann schlugen mehrere Überschallknalls zu, gefolgt vom Quietschen der sich durchbiegenden Rumpfstreben des Luftschiffs. Einige Gerüste brachen eindeutig. Himmel!
Etwas berührte ihren Rücken. Sie geriet ins Kreiseln. Dann rutschte sie völlig steuerlos die geschwungene Plastikfläche des Gasbehälters hinunter. Das verletzte Knie wurde heftig verdreht, als sie herumwirbelte, und sie hätte fast laut aufgeschrien. Mit knapper Not konnte sie den Mund zupressen.
Tiefes Zinnoberrot flackerte vor ihr auf wie eine elektrische Flamme. Die Szenerie, die es enthüllte, war unheimlich, zweifarbig, rot und schwarz. Eine riesige, gekrümmte, zylinderförmige Höhle, die glatten Wände mit einem schwarzen Sechseckmuster bedruckt; sie zitterten leicht. Jonas mußte etwas Ähnliches gesehen haben, dachte Suzi. Damals bei den Trinities hatte ihr diese Geschichte immer gefallen; bei Goldfinch hatte sie immer so real geklungen, wenn er seine Predigten schwang.
Zehn Meter vor sich sah sie Fabian Whitehurst, der die Krümmung des Gasbehälters hinabrutschte und dabei wie verrückt hüpfte. Suzi breitete die Arme aus, versuchte abzubremsen. Das Licht ging aus.
Sie konnte immer noch hören, wie der Rumpf lautstark protestierte.
Die Neigung des Gasbehälters wurde flacher und reduzierte Suzis Geschwindigkeit. Eine Scheibe grauen Lichts zeichnete sich fünfzehn Meter voraus scharf im Boden ab. Sie sah Fabian auf allen Vieren, wie er darauf zukrabbelte. Er verschwand abrupt, als wäre er hinausgesaugt worden.
Suzi wurde etwa drei Meter vor dem Schnitt gestoppt und krabbelte weiter darauf zu. Sie hörte, wie ihr Herz schnell pumpte, wie das Bedürfnis nach Luftholen wuchs. Schmerzstiche zuckten durchs Knie, als es auf das Plastik drückte.
Sie erreichte den Schnitt, packte den geschmolzenen Rand mit beiden Händen, zog sich hindurch und nach unten. Ein halber Purzelbaum, und sie stand auf dem Laufsteg.
Fabian lag auf den Knien und hustete rauh. Charlotte Fielder stand hinter ihm, hatte ihm einen Arm um die Schultern gelegt und machte ein besorgtes Gesicht. Suzi gönnte sich einen Strom schön sauberer Luft in die Lungen. Fünf Meter weiter am Laufsteg arbeiteten drei Roboter an den Kompositplatten, aus denen das Dach der Gondel bestand. Greg ragte über ihnen auf und sah ihnen aufmerksam zu.
»Sie schneiden uns einen Weg in die Kabinen frei«, erklärte er Suzi, als sie zu ihm trat.
»Mein Sondereinsatzkommando ist eingetroffen«, verkündete Julia über das Cybofax, das sich mit einem Piepton aus seiner Jackentasche bemerkbar gemacht hatte. »Die Leute kommen jetzt jede Minute an Bord.«
Das Rumpfgerüst ächzte wieder. Suzi glaubte zu sehen, wie eine Wellenbewegung den Laufsteg entlanglief. Die Roboter hoben eine losgeschnittene Strebe hoch und machten sich mit ihren Lasern am Komposit zu schaffen.
»Zwei Teksöldner sind noch in der Gondel; beide durchsuchen die Kabinen auf dem Unterdeck; drei weitere befinden sich im Rumpf«, meldete Julia. »Sie haben inzwischen die Anweisungen, gezielte Todesschüsse abzugeben.«
»Wo steckt Leol Reiger?« fragte Suzi.
»In der Gondel.«
»Vergiß es!« sagte Greg knapp.
Suzi hätte ihm am liebsten erklärt, wo er sich das hinstecken sollte, aber das Knie pochte inzwischen alarmierend, und das konstante Knarren und Schwanken des Rumpfes jagte ihr eine Mordsangst ein – obwohl sie nicht bereit war, das irgend
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