Mindstar 03 - Die Nano-Blume
Der größte Arbeitgeber in seinem West-Kent-Wahlkreis ist Globecast. Die Zentrale für das europäische Sendernetz von Globecast ist dort zu Hause. Und Clifford Jepson hat Harcourt persönlich über die atomare Strukturierung informiert; er hatte heute morgen um acht eine Verabredung. Ich habe das aus der Ware des Ministeriums erfahren.
Das Arschloch ist Clifford Jepsons Cyborg, meinte ihr Großvater bitter.
Und natürlich trägt es ihm den Vorsitz über die Neokonservative Partei ein, wenn er Event Horizon die Partnerschaft in Sachen atomarer Strukturierung mit Globecast verschafft und sich obendrein deiner Hilfe in der Wales-Frage versichert, sagte NN-Kern zwei.
Und Clifford stellt auch noch sicher, daß sich Event Horizon dumm und dämlich bezahlt, ergänzte Julia. Er wäre in einer Position, aus der heraus er praktisch jeden Preis diktieren könnte, den er für die Generatordaten haben möchte.
Schlau, räumte Philip Evans ein. Clifford zieht in dieser Angelegenheit wirklich alle Register. Er bringt dich dazu, nach seiner Melodie zu tanzen, und ebenso seinen Mann in Hausnummer zehn.
Das schlimmste ist: Ich mache ihm nicht mal einen Vorwurf daraus, sagte Julia. Ich würde genau das gleiche tun. Sie konnte sich der kühlen Trostlosigkeit nicht erwehren, die sie empfand, weil ihre Weltsicht letztlich bestätigt worden war. Michael Harcourt war auch nicht anders als die anderen. Niemand verhielt sich mehr ehrenhaft; alle hatten ihre Hintergedanken.
Wieso schere ich mich eigentlich darum? überlegte sie.
Jemand muß es tun, Juliet.
Aber warum ich?
Mein Erbe, Mädchen. Event Horizon gibt dir die Macht dazu.
Dann ist es also deine Schuld, Opa?
Wenn du so willst. Du kannst das Unternehmen jederzeit verkaufen, es an jemand anderen übergeben.
An Leute wie Michael Harcourt und Clifford Jepson, meinst du? Nein danke, der Zustand der Welt ist schon schlimm genug.
Da hast du deine Antwort, Mädchen.
Yeah.
Sie zeigte Michael Harcourt ihr Eisköniginnenlächeln und genoß es, wie er zurückzuckte. Selbst übers Telefon hatten Leute Angst vor ihr. Töricht, aber gelegentlich von Nutzen. »Sehr gut, Minister, ich wäre Ihnen verbunden, wenn Sie Ihre inoffizielle Vermittlungstätigkeit für mich aufnehmen würden. Ich werde Peter Cavendish auffordern, wegen der Einzelheiten mit Ihnen Kontakt aufzunehmen – betreffs des Zeitpunkts für das Angebot und so weiter.«
»Ausgezeichnet. Können wir also mit einer Verlautbarung von Event Horizon zu den Cyberfabriken rechnen, daß sie nur in Wales angesiedelt werden, wenn es Teil von England bleibt?«
»Ja, sobald der passende Zeitpunkt für eine solche Bekanntmachung gekommen ist.«
»Ich setze mich gleich mit Clifford Jepson in Verbindung.«
»Danke, Minister. Es ist stets eine Freude, genau zu erfahren, auf wen ich mich verlassen kann. Ich werde gewiß nicht vergessen, was Sie heute getan haben.«
Michael Harcourt verbeugte sich leicht. Sein Lächeln war spurlos verschwunden. »Was immer ich tun kann, Julia, das wissen Sie. Jederzeit.«
»Auf Wiedersehen, Minister.« Sie sprach es wie eine Verkündung aus. Wurde mit seiner aufflackernden Beunruhigung belohnt, kurz bevor das Bild verschwand.
Sie hätte nie zulassen dürfen, daß sich eine solche Lage einstellte.
Es war ihre eigene Schuld; hätte sie sich über die politischen Ereignisse auf dem laufenden gehalten und wäre sie in der Walesfrage entscheidungsfreudiger gewesen, hätte sich nie ein Führungskonflikt entwickelt und Leuten wie Michael Harcourt Anknüpfungspunkte geboten. Tatsächlich hätte sie überhaupt nicht erst hinnehmen dürfen, daß eine Marionette von Globecast Industrieminister wurde. Immer die Details im Auge behalten; früher hatte sie diesen Leitsatz schonungslos angewandt. In letzter Zeit lenkte sie so vieles ab, bauten sich Sorgen auf wie ein Frühlingssturm. Komisch, daß die NN-Kerne das Problem Harcourt nicht schon früher erkannt hatten. Beeinflußte Royans Abwesenheit auch sie? Schließlich spiegelten sie ihre Gedanken wider, verstärkten sie tausendfach. Hieß das auch, daß sie den Verlust tausendmal stärker fühlten als sie selbst?
Vereinbart eine Besprechung mit David Marchant, sagte sie. Ich weiß, daß es schon sehr spät ist, um den Schaden noch zu begrenzen, aber schauen wir mal, was er tun kann. Wir dürfen nicht hinnehmen, daß Harcourt Premier wird.
Wer hat es denn so weit kommen lassen? fragte ihr Großvater trocken.
Kümmere dich nicht um ihn. Wir machen uns gleich
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