Minerva - sTdH 1
aber eine
schüchterne kleine Hand wagte sich unter sein Hemd, und er konnte nicht anders
als sie nehmen.
Wenn sie
geschrien hätte oder protestiert, dann wäre er auf der Stelle zu sich gekommen.
Aber sie war voller Leidenschaft:
eine erschauernde, pulsierende, vor Sehnsucht brennende Frau.
Selbst als
sie bereits hingestreckt und nackt unter ihm auf dem Boden lag, erinnerte ihn
die Stimme seines Verstandes noch mahnend an ihre Jungfräulichkeit. Aber da
glitten ihre geschmeidigen Fingernägel an seinem Rücken hinunter und gruben
sich in seine Muskeln hinein, so daß er sich blindlings in die Lust stürzte
und nicht mehr aufhören konnte, bis er in sie eindrang und sich in ihr ergoß.
Und als er
sie dann ganz zärtlich und liebevoll wieder an sich heranzog, geschah das nur,
um sie fest an seine Brust zu drücken, auf den Armen die Treppe hinauf in sein
Bett zu tragen und die eben entdeckten Wunder und Wonnen noch einmal zu
entdecken.
»Vielleicht kommt er nicht«, sagte Silas Dubois
und biß an seinen Nägeln herum.
»Verfluchter
Kerl«, sagte der Marquis von Brabington. »Sie dürfen nicht von sich auf andere
schließen und glauben, daß für Lord Sylvester Ihre miesen, verkorksten Wertmaßstäbe
gelten. Er wird kommen.«
Der dünne
Bodennebel färbte sich golden, als die Sonne über den Kirchturm stieg. Die Uhr
schlug sechs, und eine Lerche schwang sich in die Luft, als ob der
Glockenschlag sie aufgeschreckt hätte.
Der Marquis
empfand immer mehr Abscheu vor der ganzen Londoner Gesellschaft, die solche
ekelhaften Menschen wie Dubois und seinen Sekundanten, Jeremy Bryce, duldete.
Der Arzt, Mr. Mackintosh, kam auf den Marquis zu und fragte leise, ob alles
versucht worden sei, um das Duell zu verhindern.
»Natürlich«,
sagte der Marquis scharf. »Ich genieße das Schauspiel, bei dem mein bester
Freund sein Leben riskiert, keineswegs.«
»Ich
glaube, ich höre Seine Lordschaft kommen«, sagte der Arzt.
Das gleichmäßige Trappeln von Pferdehufen war in der Ferne zu hören.
»Wer immer
es ist, er hat es nicht allzu eilig«, höhnte Silas Dubois.
Lord
Sylvester kam in seinem Rennwagen auf das Feld gefahren.
»Der
Dummkopf!« murmelte Silas Dubois.
Er selbst
war von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet. Sogar die Knöpfe seines Rocks waren
schwarz gefärbt, um seinem Gegner keine Zielscheibe zu bieten.
Lord
Sylvester dagegen trug einen spanischblauen Rock mit Silberknöpfen über einer
gestreiften Marseilleweste, einem gefälteten Hemd und einem gestreiften Jabot.
Eine Lederhose und Stiefel vervollständigten das Ganze. Seine Lordschaft
betrachtete Mr. Dubois durch sein Monokel von oben bis unten.
Der Arzt
zog seinen schwarzen Hut und stützte sich auf seinen Spazierstock mit dem
Goldgriff, als ob Lord Sylvester schon
tot wäre.
»Wir wollen keine Zeit verlieren«, sagte Lord Sylvester in lockerem Ton.
»Wählen Sie die Waffe, Dubois.«
Silas
blickte argwöhnisch in den Pistolenkasten und ließ ein leises Pfeifen hören. Er
nahm eine Pistole heraus und sagte mit einem tückischen Seitenblick auf Lord
Sylvester. »Ihre Entschlossenheit, den Gentleman zu spielen, ist Selbstmord,
Comfrey.«
»Seien Sie
vorsichtig«, mahnte Lord Sylvester. »Sie sind hochempfindlich.«
Nie zuvor
hatte Lord Sylvester so ruhig oder besser so unverfroren gewirkt. Nie zuvor
hatte sein Geist so angespannt gearbeitet.
Die
Pistolen wurden schußfertig gemacht und die Anweisungen gegeben. Die
Duellanten mußte Rücken an Rücken stehen, zehn Schritte gehen, sich dann umdrehen
und auf der Stelle abdrücken. Nicht sofort zu schießen, in der Hoffnung, der
andere würde einen verfehlen oder nur leicht verwunden, und dann in Ruhe zu
zielen, um den Gegner zu töten, war unsportlich. Wer so etwas tat, war entehrt.
Der Morgen
erschien plötzlich sehr still und ruhig. ›Das ist es!‹ dachte Lord
Sylvester, und seine Gedanken überschlugen sich. ›Ich habe ihr nie gesagt,
daß ich sie liebe. Ich hätte sie bitten sollen, mich zu heiraten. Ich darf
nicht sterben.‹ Und dann wurde er wieder ganz ruhig.
Die
Pistolen waren gespannt, und er stand Rücken an Rücken mit Silas Dubois.
Den ersten
Schritt macht der Duellant normalerweise ganz instinktiv mit dem linken Fuß,
weil er die Pistole in der rechten Hand hochhält. Aber das bedeutet, daß er den
zehnten Schritt mit dem rechten Fuß beendet. Das wiederum bedeutet, daß er
eine oder zwei lebenswichtige Sekunden verliert, während er seinen linken Fuß
an den rechten heranzieht, um sich
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