Mini-Dame mit Maxi-Schnitt
Ahnung.« Lenore lehnte
den Kopf zurück und schloß die Augen. »Ich hoffte aufrichtig, daß er bald
wieder nüchtern wurde, einsah, was er angerichtet hatte, und sich dann das
Leben nahm .«
»Ich glaube mich zu erinnern«,
flüsterte Freidel, »daß er das Zimmer verließ, als wir anderen alle uns
gegenseitig anbrüllten. Da er den Schlüssel mitgenommen hat, werden Sie ihn
wohl oben in der Kleiderkammer vorfinden, wo er seine eigenen Kreationen
bewundert .«
Vorsichtshalber rutschte ich
etwas fort von Lenore, ehe ich respektvoll sagte: »Ich nehme an, Sie können
sich in seine Lage versetzen, Dion. Schließlich waren Sie ja früher auch ein
großer Modeschöpfer .«
Als ich aufstand und
hinausging, folgte mir ein schwacher Zischlaut aus der Richtung, in der sich
Lenores Stuhl befand. Schnell stieg ich die zwei Stockwerke zur Kleiderkammer
hinauf. Die Tür war geschlossen, öffnete sich aber einen Spalt, als ich den
Knauf bewegte. Ein nervöses Kitzeln machte sich unterhalb meiner Nackenhaare
bemerkbar, das den primitiven Wunsch in mir weckte, eilig nach meiner .38er zu
greifen. Ich preßte mich gegen die Wand und stieß die Tür mit dem Fuß auf.
»Flavian ?« fragte ich leise. »Sind Sie da ?«
Alles, was ich hörte, war das
Rauschen meines eigenen Blutes. Ich wartete noch weitere zehn Sekunden, dann
trat ich die Tür auf. Da sich immer noch nichts rührte, raffte ich allen Mut
zusammen und trat schnell ein. Der Raum war leer. Mit einem erleichterten
Seufzer steckte ich die Waffe in die Halfter zurück. Die Tür zum Wandschrank
stand weit offen. Da hingen alle die Kleider, die nun nie vorgeführt werden
würden, eins neben dem anderen, schön säuberlich auf ihren Bügeln. Das heißt, irgend etwas stimmte damit nicht ganz. Ich trat näher und
erkannte, daß der Boden des Wandschranks mit bunten Stoffetzen übersät war. Und als ich noch näher herantrat, wurde mir klar, daß sich hier
jemand mit dem Messer über die ganze Kollektion hergemacht hatte, und zwar so
sorgfältig, daß auch nicht ein einziges Kleidungsstück verschont geblieben war.
Die stummen Zeugen eines
zerstörerischen Geistes verursachten mir ein unangenehmes Gefühl im Magen. Ich
trat einige Schritte von dem Wandschrank fort und bemerkte hinter der alten
Couch ein sauberes Bündel Kleider. Als ich mich bückte, um sie mir näher
anzusehen, verwandelte sich das unangenehme Gefühl im Magen zu einem stechenden
Schmerz. Was hier lag, waren Jackett, Hosen, Hemd, Schlips, Socken und Schuhe —
alles Dinge, die Eldridge gehörten, und zwar alles Dinge, die er früher am
Abend in der Bar angehabt hatte.
Welch seltsamer Impuls hatte
ihn plötzlich veranlaßt, in seiner Unterwäsche herumzulaufen? Da ich von der
Stelle, an der ich mich gerade befand, einen besonders traurigen Blick auf das
hatte, was bis vor einer Stunde einmal Beweis eines genialen schöpferischen
Geistes gewesen war, machte ich mich daran, alles sauber oben auf das
Kleiderbündel aufzuschichten. Aber die Frage, die mir nach wie vor bohrend
durch den Kopf ging, wurde damit nicht beantwortet. Schließlich schlenderte ich
langsam auf das Fenster zu — und sah hinaus in die Dunkelheit. In dieser Sekunde
schien der Schmerz in meinem Magen zu explodieren.
So schnell ich konnte, raste
ich die Stufen hinunter ins Arbeitszimmer. Keuchend schnappte ich nach Luft.
Freidel und Lenore betrachteten mich mit leicht fragendem Ausdruck, bis ich
wieder in der Lage war, zu sprechen.
»Die Lichter vom
Schwimmbecken«, brachte ich hervor. »Wo ist der Schalter dazu ?«
»Wieso?« Er verstand kein Wort.
»Stimmt was nicht ?«
»Sie sind aus«, keuchte ich.
»Und ich fürchte, jemand hat sie absichtlich ausgeschaltet — um zum Beispiel zu
verbergen, daß eine Leiche da herumschwimmt .«
»Wessen Leiche ?« flüsterte Lenore.
»Flavians vielleicht?« Ich sah
Freidel an. »Wollt ihr sie nun endlich anknipsen, oder wollt ihr da weiter wie
die Ölgötzen sitzen bleiben ?«
»Ich komm’ ja schon«, murmelte
er und rutschte von der Tischkante herab.
»Ich gehe mit«, sagte Lenore
entschlossen.
»Soll mir gleich sein«, murrte
ich, »Nur schaltet endlich die Lampen draußen an .«
Der Hauptschalter befinde sich
im Keller, erklärte Freidel, als wir auf die Tür zugingen, und den solle man
als ersten überprüfen. Lenore und ich gingen vors Haus, der Himmel war hell
genug, um uns den Weg zu zeigen, und als wir gerade den Swimming-pool erreicht
hatten, gingen auch die Lichter wieder an. Das
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