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Minus 0.22: Monster In Uns (German Edition)

Minus 0.22: Monster In Uns (German Edition)

Titel: Minus 0.22: Monster In Uns (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Theis
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viele Wesen hatte auch er eine verdorbene Seite. Jedes Mal wenn ihn seine Laune überkam, brauchte er etwas, um seine Wut rauszulassen. An diesen Abenden schlug er meine Mutter windelweich.“
    „Zack...“ Lüc sah ihn mit großen Augen. „Das wusste ich gar nicht.“
    „Es war nur die Spitze des Eisbergs. Ich musste es nie ansehen, ich hörte es nur durch die dünnen Zimmerwände, wenn sie wimmerte und ihm sagte, dass sie ihn doch liebte. Trotzdem wiederholten sich diese Abende und trotzdem setzte sie an jedem Morgen danach ihr bestes Lächeln auf, wenn sie mir mein Frühstück machte.“ Er stoppte, bis er mit zittriger Stimme weitersprach. „Als ich zwölf war, war er , der gute Kerl, immer noch an ihrer Seite. An einen der Abenden entschloss ich endlich einzuschreiten. Ich wusste, wo er seinen Revolver versteckte. Ich nahm ihn und ging in das Schlafzimmer meiner Mutter und sah zu, wie er auf sie eindrosch. Nur auf die Stellen, die keiner zu Gesicht bekommen sollte. Er brüllte mich an, ich sollte verschwinden, zumindest so lange bis ich mit dem Revolver auf ihn zielte. Plötzlich wurde er kleinlaut, ließ von meiner Mutter ab und flehte mich an, den Revolver wegzustecken. Er würde sich bessern gelobte er, er würde sie nie wieder anfassen. Auch meine Mutter flehte mich an, es ist nicht zu tun, schließlich liebte sie ihn doch. Mein Finger blieb am Abzug, doch ich hatte nicht die Kraft abzudrücken. Ich hatte Mitleid und Angst. Es erschien mir wie der perfekte Mittelweg, ihn am Leben zu lassen. Unser Verhältnis war nach wie vor zerrüttet, aber er fasste sie die erste Zeit nicht mehr an. Als ich 16 war, hörte ich nebenan wieder das Wimmern und die gedämpften Schläge. Ich hörte nicht mehr hin. Ich erschien nie wieder unangekündigt in ihrem Schlafzimmer mit einem Revolver in der Hand. Wenn ich das Gefühl hatte, er war wieder schlecht gelaunt, ging ich die Nacht lang aus. Ich schlief bei Freunden oder ging nächtelang spazieren. Ich drehte mich ab und sah nicht mehr hin. Bei meinem letzten Spaziergang fand ich dann meine Mutter im Weiher treiben. Ich war nicht für sie da, wenn es drauf ankam. Sie war überfordert von diesem Leben. Sie hatte zwar eine kleine, glückliche Familie und war dennoch einsam. Sie hatte keine Kraft mehr. Sie stieg in das Wasser und ließ los. Sie nahm keinen Atemzug dieses einsamen Lebens mehr.“
    „Zack... das ist schrecklich“, sagte Lüc. „Es tut mir so Leid.“
    Zack erzählte weiter. „Nach ihrer Beerdigung verließ ich mein Dorf für immer. Ich wollte nur noch flüchten. Ich bereiste die Welt auf der Suche nach der Kraft, abzudrücken und Verantwortung zu übernehmen. Seitdem war ich ruhe- und heimatlos. Bis ich dich fand. Du wurdest mein neues Zuhause. Hätte ich mit zwölf Jahren abgedrückt, wäre meine Mutter heute noch am Leben. Diesen Fehler werde ich nicht noch einmal begehen.“
    Er drehte sich um und ging zur Tür.
    „Zack, warte!“, flehte Lüc. „Bitte geh nicht. Bitte, wenn du mich liebst, dann bleib hier. Es wird alles wieder gut werden, mir wird schon nichts passieren, so lange du bei mir bist, das weiß ich. Vergiss Willi, vergiss Blutwäldchen. Wir suchen uns einen neuen Ort, aber bitte, geh nicht da raus!“
    Er sah zu ihr. „Ich gehe gerade, weil ich dich liebe.“
    Danach öffnete er die Tür und verschwand im Schnee. Lüc blieb überfordert zurück. Sie vergrub ihre Hand in ihrer Hosentasche.
     
     
    13
     
    Blutwäldchen wurde allmählich von der eiskalten Nacht in Form einer klaren Dämmerung erlöst. Die Sonne traute sich langsam hinter dem Horizont hervor und schien in das spärlich beleuchtete Baumhaus.
    Willi saß auf seinem hölzernen Thron mit Blick auf die halb geleerte Flasche „Theison“-Schnaps. Er goss sich ein Glas ein und zog das Feuerwasser in einem Rutsch weg. Noch bevor er Schritte auf der Holzleiter zum Baumhaus hörte, war er von einer bösen Vorahnung erfüllt. Seit der Konfrontation mit dem Kartenspieler, hatte er sich in sein Baumhaus zurückgezogen und überlegte die nächsten Schritte. Durch die Worte des Kartenspielers wurde ihm bewusst, wie Fehl am Platze er letztendlich war. Er war hin- und hergerissen zwischen seinem animalischen Killerinstinkt und dem menschlichen Selbstverständnis einer Familie. Er hatte die letzten dreieinhalb Jahre einen Mittelweg gesucht, doch auch wie Zack hatte er eingesehen, dass Mittelwege oftmals einen größeren Verlust mit sich bringen, als die absolute Entscheidung für eine Seite

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