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Mio, mein Mio

Mio, mein Mio

Titel: Mio, mein Mio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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Bergwand. »Mein Schwert, meine Feuerflamme«, murmelte er. »Mein Schwert, das durch Stein schneiden kann.« »Wozu brauchst du ein Schwert, das durch Stein schneiden kann?« fragte ich.
    »Das sollst du wissen«, sagte der Schwertschmied.
    »Dieses Schwert ist nicht für Gute und Unschuldige geschmiedet. Dieses Schwert wartet auf Ritter Kato selbst. Und er – weißt du das nicht? –, er hat ein Herz aus 123
    Stein.«
    »Nein, ich weiß nicht viel über Ritter Kato«, sagte ich.
    »Ich weiß nur, daß ich gekommen bin, gegen ihn zu kämpfen.«
    »Ein Herz aus Stein hat er«, sagte der Schwertschmied,
    »und eine Klaue aus Eisen.« »Eine Klaue aus Eisen?«
    fragte ich. »Weißt du das nicht?« sagte der
    Schwertschmied. »Seine rechte Hand fehlt. An Stelle der rechten Hand hat er eine Klaue aus Eisen.«
    »Und was macht er mit der Klaue aus Eisen?« fragte ich.
    »Damit reißt er den Menschen das Herz aus der Brust«, sagte der Schwertschmied. »Nur ein Griff mit der Eisenklaue, dann hat er das Herz. Und dafür gibt er ihnen ein steinernes Herz. Jeder, der in seiner Nähe ist, muß ein steinernes Herz haben.«
    Als ich das hörte, zitterte ich. Und ich wünschte mir mehr und mehr, endlich gegen Ritter Kato kämpfen zu dürfen.
    Der Schwertschmied stand neben mir. Er streichelte mit seinen schmutzigen Händen das Schwert. Sicher war es das Kostbarste, was er besaß.
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    »Gib mir dein Schwert, das durch Stein schneiden kann«, bat ich ihn. »Gib mir dein Schwert, damit ich gegen Ritter Kato kämpfen kann.« Eine ganze Weile stand der Schwertschmied reglos da und sah mich an.
    »Ja,« sagte er schließlich, »du sollst mein Schwert haben. Du sollst meine Feuerflamme haben. Denn deine Stirn ist licht, und dein Blick ist klar, und du hast so schön in meinem Berg auf deiner Flöte gespielt.« Er legte das flammende Schwert in meine Hand. Und es war, als flösse das Feuer des Schwertes in meinen Körper und machte mich stark.
    Und dann ging der Schwertschmied an die Bergwand und schob eine Felsplatte beiseite. Ein großes Loch tat sich auf. Ich fühlte einen kalten, eisigen Wind in die Höhle strömen und hörte den Laut brausender Wogen.
    »Ritter Kato weiß viel«, sagte der Schwertschmied.
    »Aber er weiß nicht, daß ich mich durch den Berg gebohrt und mein Gefängnis geöffnet habe. Viele, viele Jahre bohrte ich durch den Berg, um mir einen Ausgang aus meinem Gefängnis zu schaffen.« Ich trat an diesen Ausgang. Und ich sah über den Toten See auf Ritter Katos Burg. Wieder war es Nacht geworden, und wieder 125
    lag die Burg so finster und so schwarz da, wie ich sie zuvor gesehen hatte. Und wie zuvor leuchtete das einzige Fenster wie ein böses Auge über dem finsteren Wasser des Toten Sees. Jum-Jum kam und stellte sich neben mich. Und wir standen still nebeneinander und dachten: Der Kampf ist nahe.
    Hinter uns stand der Schwertschmied, und ich hörte seine Stimme.
    »Er kommt, er kommt«, murmelte er. »Bald kommt er, Ritter Katos letzter Kampf.«
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    Eine Klaue aus Eisen

    Die Wolken über dem See waren dunkel, die Luft war angefüllt mit dem Geschrei der verzauberten Vögel, und schwarz schäumten die Wogen.
    »Ritter Kato weiß viel«, sagte der Schwertschmied,
    »aber daß der Tote See sich in meinen Berg gefressen hat, das weiß er nicht. Von meiner verborgenen Bucht weiß er nichts, auch nichts von dem Boot, das an der verborgenen Stelle unter dem Loch in der Felswand liegt.«
    »Warum hast du ein Boot, wenn du doch nie rudern kannst?« fragte ich.
    »Ich kann rudern«, sagte der Schwertschmied. »Ich klettere aus meinem heimlichen Loch und ziehe meine Kette so lang, wie es irgend geht. Drei Bootslängen kann ich in meiner verborgenen Bucht rudern.« Er stand in seinem Loch in der Felswand. Groß und schwarz stand er da. Es war so dunkel, daß ich ihn kaum sehen konnte.
    Aber ich hörte, wie er lachte, ein seltsames, unheimliches Lachen. Es war, als wisse er nicht genau, wie man lacht.
    Der Schwertschmied stand in seinem Loch in der 127
    Felswand und sah zu, wie ich das kleine Boot löste. Es lag vertäut in einer Bucht im Berg, einer verborgenen Bucht zwischen hohen Felswänden.
    »Ritter Kato weiß viel«, sagte er. »Aber eines weiß er nicht. Er weiß nicht, welche Last mein Boot in dieser Nacht über den Toten See trägt.« »Und etwas gibt es, was du nicht weißt«, sagte ich. »Du weißt nicht, ob du jemals dein Boot wiedersehen wirst. Es sinkt vielleicht noch in dieser Nacht auf den Grund des

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