Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mio, mein Mio

Mio, mein Mio

Titel: Mio, mein Mio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
Vom Netzwerk:
Eno gesagt. Wahrscheinlich führte einer dieser dunklen Gänge zum Schwertschmied, aber welcher? Wir wußten es nicht. Wir mußten sicher lange wandern, bevor wir ihn finden würden.
    »Ja, nun sind wir jedenfalls in den schwärzesten Berg hineingekommen«, sagte Jum-Jum. »Hineingekommen sind wir«, sagte ich, »aber ich glaube nicht, daß wir wieder hinausfinden.« Denn es war wirklich ein Berg, in dem man sich verirren konnte, so ein Berg, von dem man manchmal träumt.
    Man irrt durch seltsame, dunkle Gänge, man geht und geht und findet nie hinaus. Wir faßten uns an den Händen, Jum-Jum und ich, und gingen tiefer in den Berg hinein. Wir fühlten uns klein und verloren, und bis zur tiefsten Höhle war der Weg bestimmt noch lang. »Wenn nur der Berg nicht so unheimlich wäre«, sagte Jum-Jum. »Wenn nur die Gänge nicht so dunkel wären und wir nicht so klein und einsam.« Wir gingen und gingen. Die Gänge teilten sich. Nach allen Richtungen verzweigten sie sich. Ein ganzes Netz dunkler Wege war dort in dem Berg. Manchmal leuchtete der schwache Lichtschein etwas stärker, und man konnte einige Meter weit sehen, manchmal war es völlig finster, und man sah überhaupt nichts. Manchmal war der Gang so niedrig, daß man nicht aufrecht gehen konnte, und manchmal wölbte er sich so hoch wie eine Kirche. Von den Bergwänden tropfte Wasser. Es war kalt, und wir hüllten uns fester in unsere Mäntel, um nicht zu frieren.
    »Vielleicht finden wir nie hinaus und nie zur Höhle des Schwertschmiedes«, sagte Jum-Jum. Wir waren hungrig. Und wir aßen etwas von dem Brot, das Hunger stillt. Nur etwas aßen wir, denn wir wußten ja nicht, wie lange es reichen mußte. Während wir aßen, gingen wir weiter. Und als ich mein Brot gegessen hatte, waren wir gerade an eine andere Stelle gekommen, wo sich der Gang in drei verschiedene Wege teilte. Hier rieselte das Wasser von den Felswänden herunter, und ich war durstig. Ich blieb stehen und trank von dem Wasser. Gutes Wasser war es nicht, aber ich hatte kein anderes. Nachdem ich getrunken hatte, wandte ich mich um nach Jum-Jum. Aber da war kein Jum-Jum mehr. Er war fort. Vielleicht hatte er gar nicht bemerkt, daß ich stehengeblieben war, um zu trinken, und war in einem der Gänge weitergelaufen und glaubte, ich sei dicht hinter ihm.
    Zuerst fürchtete ich mich nicht. Ich stand dort an der Weggabelung und überlegte, welchen Weg Jum-Jum wohl eingeschlagen hatte. Er konnte sich noch nicht sehr weit entfernt haben, und ich brauchte ja nur hinter ihm her zu rufen.
    »Jum-Jum, wo bist du?« schrie ich also, so laut ich konnte. Aber mein Ruf war nur als unheimlich krächzendes Geflüster zu hören.
    Was war das nur für ein seltsamer Berg? Seine Felswände nahmen meinen Schrei entgegen und erstickten ihn. Es blieb nur noch ein Flüstern. Und das Flüstern kam zu mir zurück. Im Berg wurde mein Schrei zu einem flüsternden Echo.
    »Jum-Jum, wo bist du?« flüsterte es heiser aus den finsteren Gängen. »Jum-Jum, wo bist du … Jum-Jum, wo bist du?«
    Da kam die Angst. Ich versuchte, noch lauter zu schreien, aber der Berg flüsterte nur. Ich konnte nicht glauben, daß es meine eigene Stimme war, die ich hörte. Sie mußte einem Fremden gehören, einem Fremden, der tief drinnen im Berg war und mich verhöhnte.
    »Jum-Jum, wo bist du … Jum-Jum, wo bist du … Jum-Jum, wo bist du?« flüsterte es.
    Oh, wie wurde mir angst! Ich rannte einige Schritte in den linken Gang hinein, dann rannte ich zur Weggabelung zurück und lief in den rechten Gang, um sofort wieder umzukehren und in den Mittelgang zu laufen. Jum-Jum, welchen Weg hast du genommen? Ich wagte nicht mehr zu schreien, denn das Echogeflüster war grauenvoller als alles andere. Aber Jum-Jum mußte doch endlich fühlen, daß ich mich ganz furchtbar nach ihm sehnte, und mußte deshalb zu mir zurückkommen.
    Wieder teilte sich der Weg. In alle Richtungen spreizten sich neue finstere Wege. Ich irrte in ihnen umher und suchte und suchte. Ich gab mir Mühe, nicht zu weinen, denn ich war doch ein Ritter.
    Aber gerade jetzt gelang es mir nicht, ein Ritter zu sein. Ich dachte an Jum-Jum, der irgendwo in anderen finsteren Gängen umherlief und traurig war und nach mir rief, und ich warf mich auf den rauhen Felsboden und weinte genauso, wie ich geweint hatte, als die Späher Miramis mitgenommen hatten.
    Nun hatte ich keinen Miramis mehr und auch keinen Jum-Jum. Nun war ich ganz allein. Ich lag da und bedauerte es, in dieses Land gegangen zu sein,

Weitere Kostenlose Bücher