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Mio, mein Mio

Mio, mein Mio

Titel: Mio, mein Mio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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mich sicher nicht mehr an Ritter Kato erinnern. Ich werde sein abscheuliches Gesicht vergessen und seine abscheulichen Augen und seine abscheuliche Klaue aus Eisen. Ich wünsche mir den Tag herbei, an dem ich ihn vergessen haben werde. Dann werde ich auch seine abscheuliche Kammer vergessen. Ritter Kato hatte eine Kammer in seiner Burg, in der die Luft dick war von Bosheit. Es war die Kammer, in der Ritter Kato Nacht und Tag saß und Böses ausdachte. Nacht und Tag, Nacht und Tag saß er dort und dachte Böses aus, und die Luft war so voll des Bösen, daß man in seiner Kammer nicht atmen konnte. In Schwaden kroch das Böse von dort hinaus und tötete alles Schöne, was draußen lebte, und vernichtete alle grünen Blätter und alle Blumen und all das zarte Gras und legte sich wie ein Schleier vor die Sonne, so daß dort niemals richtig Tag war, sondern nur Nacht und etwas, das fast wie die Nacht war.
    Es war nicht verwunderlich, daß das Fenster seiner Kammer wie ein böses Auge über das Wasser des Toten Sees glühte. Die Bosheit Ritter Katos glühte durch das Fenster, wenn er in seiner Kammer saß und Böses ausdachte. Nacht und Tag, Nacht und Tag saß er dort und dachte Böses aus.
    In diese Kammer wurde ich gebracht. Ritter Kato fing mich, als ich meine beiden Hände brauchte, um mich festzuhalten, und deshalb mein Schwert nicht ziehen konnte. Dann warfen sich seine schwarzen Späher über mich und brachten mich in seine Kammer. Dort stand schon Jum-Jum. Er war sehr blaß und sah sehr traurig aus und flüsterte, als er mich sah: »O Mio, nun ist alles vorbei.« Ritter Kato kam herein, und wir sahen ihn in seiner ganzen Abscheulichkeit. Wir standen vor seinem abscheulichen Gesicht. Stumm sah er uns an. Seine Bosheit floß über uns hin wie eine kalte Flut. Seine Bosheit kroch über uns hin wie loderndes Feuer. Sie kroch über unsere Gesichter und unsere Hände und brannte in unseren Augen. Ich fühlte, daß Wellen seiner Bosheit mich durchrannen, und wurde unendlich müde und hätte mein Schwert nicht hochheben können, selbst wenn ich es versucht hätte. Die Späher reichten Ritter Kato mein Schwert, und als er es ansah, zuckte er zusammen. »Ein gefährlicheres Schwert sah ich nie in meiner Burg«, sagte er zu den Spähern, die ihn als Wachen umstanden. Er trat ans Fenster. Dort stand er und wog das Schwert in seiner Hand. »Was tue ich mit diesem Schwert?« fragte Ritter Kato. »Die Guten und die Unschuldigen tötet man nicht mit einem solchen Schwert. Was tue ich also damit?«
    Er sah mich mit seinen abscheulichen Schlangenaugen an, und er sah, wie sehr ich nach meinem Schwert verlangte. »Ich versenke das Schwert im Toten See«, sagte Ritter Kato. »Ich versenke es in die tiefste Tiefe im Toten See, denn noch nie sah ich ein gefährlicheres Schwert in meiner Burg.«
    Er hob das Schwert und schleuderte es durch das Fenster.
    Ich sah, wie es, durch die Luft fallend, sich überschlug, und war ganz verzweifelt. Tausend und abertausend Jahre hatte der Schwertschmied an einem Schwert geschmiedet, das durch Stein schneiden konnte. Tausend und abertausend Jahre hatte man gewartet und gehofft, daß ich Ritter Kato besiegen würde. Und nun warf er mein Schwert in den Toten See. Niemals mehr würde ich es wiedersehen, und alles war vorbei. Ritter Kato kam und stellte sich vor uns, und als er uns so nahe war, erstickte mich seine Bosheit fast. »Was soll ich nun mit diesen meinen Feinden machen?« sagte Ritter Kato. »Was soll ich mit meinen Feinden tun, die von weit her gekommen sind, um mich zu töten? Es lohnt, darüber nachzudenken. Ich könnte ihnen Vogelkleider geben und sie über den Toten See fliegen und schreien lassen, tausend und abertausend Jahre.« Während er nachdachte, durchbohrte uns der Blick aus seinen abscheulichen Schlangenaugen. »Ich könnte ihnen Vogelkleider geben«, sagte er. »Oder ich könnte auch ihre Herzen herausreißen und ihnen Herzen aus Stein geben. Wenn ich ihnen Herzen aus Stein gäbe, könnte ich sie zu meinen kleinen Kammerdienern machen.«
    Ich wollte ihm zurufen: Oh, laß mich lieber ein Vogel werden!
    Nichts konnte schlimmer sein, als ein Herz aus Stein zu haben. Aber ich rief nicht. Ich wußte, wenn ich ihn bat, daß ich ein Vogel werden dürfe, so würde er mir sofort ein Herz aus Stein in die Brust setzen. Ritter Kato musterte uns von oben bis unten mit seinen abscheulichen Schlangenaugen.
    »Ich könnte sie aber auch in den Turm werfen und sie verhungern lassen«, sagte er.

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