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Mio, mein Mio

Mio, mein Mio

Titel: Mio, mein Mio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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sagten sie. »Vielleicht ist der Feind weiter weg, vielleicht klettert er woanders den Felsen herauf. Sucht überall!«
    Sie gingen einige Schritte zur Seite und spähten in eine andere Richtung.
    »Jetzt«, raunte ich Jum-Jum zu, »jetzt!« Und wir kletterten über die Mauer. Schnell, schnell kletterten wir über die Mauer, schnell, schnell rannten wir in der Finsternis auf Ritter Katos Burg zu. Wir preßten uns gegen die schwarze Wand und standen unbeweglich und fürchteten, die Späher könnten uns entdecken. »Wie kommt man in Ritter Katos Burg hinein?« flüsterte Jum-Jum. »Wie kommt man in die schwärzeste Burg der Welt hinein?«
    Kaum hatte er das gesagt, da öffnete sich eine Tür in der Wand. Völlig lautlos öffnete sich eine schwarze Tür neben uns. Nicht das leiseste Geräusch war zu hören. Wenn diese Tür wenigstens geknarrt hätte, als sie sich öffnete, wenn sie in ihren Angeln gequietscht hätte, nur ein ganz klein wenig gequietscht hätte, es wäre nicht so unheimlich gewesen. Wir faßten uns an den Händen, Jum-Jum und ich, und gingen in Ritter Katos Burg hinein. Wir fühlten uns klein und verloren wie nie zuvor. Denn so finster war nie eine Finsternis, so eisig war nie eine Kälte, so boshaft war nie eine Stille wie hier in Ritter Katos Burg. Von der Tür führte eine schmale, finstere Wendeltreppe nach oben. Eine höhere und dunklere Treppe hatte ich noch nie gesehen. »Wenn nur die Finsternis nicht so unheimlich wäre«, flüsterte Jum-Jum. »Wenn nur Ritter Kato nicht so grausam wäre und wir nicht so klein und einsam!« Ich hielt mein Schwert umklammert, während wir die Treppe hinaufschlichen. Ich ging voran, und Jum-Jum folgte.
    Im Traum bin ich manchmal durch dunkle Häuser gegangen, die ich nicht kannte. Unbekannte, entsetzliche Häuser mit schwarzen Zimmern, die mich umschlossen, bis ich nicht mehr atmen konnte, mit Fußböden, die sich gerade dort, wo ich gehen wollte, zu jähen Tiefen öffneten, mit Treppen, die zusammenstürzten und mich mitrissen. Aber kein Haus im Traum war so entsetzlich, so furchtbar wie Ritter Katos Burg. Wir stiegen und stiegen diese Wendeltreppe hinauf und wußten nicht, was am Ende der Treppe war. »Mio, ich habe Angst«, flüsterte Jum-Jum hinter mir. Ich wandte mich nach ihm um und wollte seine Hand nehmen. Aber gerade da verschwand Jum-Jum. Die Wand verschluckte ihn, und ich konnte nicht begreifen, wie es geschah. Ich blieb allein auf der Treppe stehen, tausendmal einsamer als damals, da wir uns im Berg des Schwertschmiedes verloren hatten, tausendmal einsamer als je zuvor. Ich war verzweifelt. Zu schreien wagte ich nicht, aber ich tastete mit meinen zitternden Händen über die Wand, in der Jum-Jum verschwunden war, und weinte und flüsterte:
    »Jum-Jum, wo bist du? Jum-Jum, komm zurück!« Jedoch die Wand blieb kalt und hart unter meinen Händen. Nirgends war ein Spalt, der Jum-Jum herauslassen konnte. Alles war still wie zuvor. Kein Jum-Jum antwortete, wie sehr ich auch weinte und flüsterte. Einsamer war wohl keiner auf der Welt als ich, während ich weiter die Treppe emporstieg. Meine Schritte waren schwer. Kaum konnte ich noch die Füße heben. Die Stufen waren so hoch, und ihrer waren so viele. So viele – und eine von ihnen war die letzte. Aber ich wußte nicht, daß es die letzte war. Ich wußte nicht, daß die Treppe ein Ende nahm. Das weiß man nicht, wenn man im Finstern Treppen steigt.
    Ich tat einen Schritt und trat ins Leere. Ich schrie auf und fiel. Doch im Sturz glückte es mir noch, mich an der obersten Treppenstufe festzuklammern. Dort hing ich und zappelte und suchte mit den Füßen nach einem Halt. Aber da war nichts. Ich schwebte über einer schwarzen bodenlosen Tiefe. Ich hatte Angst, und es gab keine Hilfe.
    Gleich stürze ich ab, dachte ich, und dann ist alles vorbei … Oh, hilf mir doch einer, hilf mir!
    Plötzlich ging jemand auf der Treppe. War es Jum-Jum? Kam er zurück? »Jum-Jum, guter Jum-Jum, hilf mir«, flüsterte ich. Ich sah ihn nicht, es war ja finster. Ich sah sein freundliches Gesicht nicht und nicht seine Augen, die denen von Benka glichen. Aber er flüsterte mir etwas zu. »Ja, ja, nimm meine Hand, dann werde ich dir helfen«, flüsterte der, den ich für Jum-Jum hielt. »Nimm meine Hand, dann werde ich dir helfen.« Und ich nahm seine Hand. Aber es war keine Hand. Es war eine Klaue aus Eisen.

Ein gefährlicheres Schwert
sah ich nie in meiner Burg
    Einmal werde ich es sicher vergessen können. Einmal werde ich

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