Mirad 01 - Das gespiegelte Herz
aufgetürmten Diwan aus den Fortgang der Reparaturen. Die Taucher gingen an Bord. Wenig später kehrte die Schaluppe vom Ufer zurück, wurde an Deck gehievt, auf die Klampen zwischen den zwei Masten gelegt und festgezurrt. Währenddessen gab der Kapitän schon wieder Befehl z um Segelsetzen. Er wollte keine Zeit vergeuden, wollte so viel Abstand wie möglich zwischen sich und die Fiederfische bringen.
Schekira war, wie sich im Laufe der Zeit zeigen sollte, nicht die Einzige, die sich mit Gewissensbissen plagte. Im Falle Falgons und Dormunds beschränkten diese sich auf die Befürchtung, im Kampf gegen einen unbekannten Gegner vielleicht nicht immer die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben. Hätte man sich anders aufstellen sollen? Wäre der tote Kamerad bei der Wahl einer anderen Taktik noch am Leben?
Permunds Unbehagen nährte sich hauptsächlich aus inneren Spannungen. Im Bewusstsein seiner häufigen Kritik an dem Unternehmen hatte er sich mit der Rolle eines von Múria und ihren Begleitern verachteten Gegenspielers abgefunden. Und nun musste ausgerechnet Twikus ihm das Leben retten! Es kostete den Steuermann große Überwindung, zum Bug zu humpeln (er stützte sich auf eine behelfsmäßige Krücke aus Plankenholz) und sich beim Prinzen für die »edle Tat« zu bedanken.
Jener hatte sich zwischenzeitlich zur Nixe gesellt, weil ihm mittschiffs zu viel Trubel herrschte. Er brauchte Ruhe, um mit seinen eigenen Zweifeln ins Reine zu kommen. Gedankenverloren hatte er gerade auf den Fluss hinausgestarrt, als Permund ihn von hinten ansprach. Es sah ein bisschen so aus, als müsse der Steuermann seinen Dank herauswürgen wie ein Uhu das Gewölle. Nachdem der Klumpen unverdaulicher Schuldgefühle endlich abgeladen war, wirkte der magere Nörgler unendlich erleichtert. Bis ihm sein Gegenüber sagte, dass er nicht der Schütze, sondern Ergil sei.
»Aber ich werde meinem Bruder Eure Worte bei nächstbester Gelegenheit übermitteln«, versprach der Prinz rasch, weil die Verlegenheit dem Seemann wie mit roter Farbe ins Gesicht geschrieben stand. Um die peinliche Situation zu entspannen, fragte er: »Wie fühlt Ihr Euch?«
»Als wäre ich eine Wuling.«
»Ein e was?«
»Ein Schiff ohne Rigg.«
Ergil blickte nur verständnislos.
»Ohne stehendes Gut?«, versuchte es Permund mit einer anderen Erklärung.
Ergil schüttelte resignierend den Kopf. Die Sprache der
Seeleute war ihm manchmal ein Buch mit sieben Siegeln.
Der Steuermann verdrehte die Augen und sagte langsam, die wichtigen Wörter übertrieben betonend: »Wie ein Schiff, dem im Sturm sämtliche Masten, die Segel und das Tauwerk abhanden gekommen sind.«
»Ah!«, machte Ergil.
Bombos Stellvertreter seufzte. »Nur dass bei mir das Bein fehlt. Naja, so gut wie jedenfalls.«
»Soweit ich sehen kann, ist noch alles dran.«
Permund zog eine Grimasse, die man mit viel gutem Willen als Lächeln deuten konnte. »Aber es fühlt sich an, als würden die Zähne des Fisches immer noch im Bein hängen und es jeden Moment abreißen.«
»Múria ist eine gute Heilerin. Sie hätte es abgenommen, wenn es nicht mehr zu retten gewesen wäre.«
»Danke für das Mitgefühl. Die Herrin hat so etwas Ähnliches gesagt. Sie scheint mit ihrer Arbeit zufrieden gewesen zu sein, also darf ich nicht klagen. Immerhin hat sie einen feinen Stich.«
Ergil wollte endlich wieder allein sein. »Vielleicht ist es besser, Ihr schont Euch. Ich werde Twikus von unserem Gespräch erzählen.«
»Tut das.« Permund schickte sich an zu gehen, wandte sich dann aber doch noch einmal zu dem Prinzen um. »Ich hoffe, diese vermaledeite Reise zum Sternenspiegel verleiht Euch Flügel, Hoheit. Ein Schwächling wird Wikander nämlich nicht vom Thron stoßen können.«
Die Worte des Steuermanns waren für Ergil wie eine schallende Ohrfeige. »Was…? Eben noch habt Ihr Euch für Eure Rettung bedankt und jetzt… Warum sagt Ihr das?«
»Weil Ihr mit diesem Unternehmen unser aller Leben in Gefahr bringt. Ein Mann ist bereits gestorben und ein zweiter ring t mi t de m Tod.«
»Glaubt Ihr, mir wäre das egal? Das ist es nicht, Permund. Es belastet mich mehr, als Ihr vielleicht denken mögt.«
»Verzeiht mir, wenn ich Euch dafür nicht bedauere. Ihr müsst wissen, ich bin schon einmal beim Sternenspiegel gewesen und da waren nur Wasser und Stechmücken, aber keine Insel, kein Weiser, kein Olam.«
»Was?«
Permund nickte mit ausdrucksloser Miene. »Wird Zeit zu gehen. Will mal dem
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