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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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nicht.«
    »So etwas hätte i ch mir denken können. Und woher nimmt er sein e Weisheit?«
    »Er war schon mal da.«
    »Hört, hört! – Und?«
    »Er hat keine Insel gesehen. Und auch keinen weisen Mann.«
    »Aha. Und was man nicht sehen kann, das existiert auch nicht, was?« Múria wirkte belustigt.
    Er g il schob die Unterlippe vor, verkniff sich aber eine Antwort, weil er am dozierenden Ton seiner Meisterin das Nahen einer neuen Lektion witterte. Sein Schweigen nützte ihm nichts.
     
    »Um an etwas zu glauben, brauchst du keine Augen«, erklärte sie. »Jeder Men s ch sollte das wissen, aber ein Sirilo muss es spüren. Du kannst den Wind ja auch nicht sehen, aber du fühlst ihn über deine Haut streichen, hörst ihn in den Ohren brausen und selbst ohne das alles könntest du ihn doch nicht leugnen, weil er die Wolken und damit Regen herbeiführt, den Blutenstaub und damit Nahrung bringt und noch viel mehr Zeugen hinterlässt, die ungefragt von seiner Existenz künden…«
    »Aber Olam ist ein Mensch, keine… unpersönliche Kraft«, fiel Ergil ihr trotzig ins Wort. Die von Permund gesäten Zweifel hatten eine Woche Zeit gehabt zu keimen und zu wachsen.
    Normalerweise hätte die gestrenge Lehrerin ihn für seine Respektlosigkeit gemaßregelt, aber Múria besaß genug Feingefühl, um den Unterschied zwischen unmanierlichem Benehmen und Seelennot zu erkennen. Sanft fragte sie: »Wie viel mehr als eine unbeseelte Naturgewalt muss doch ein von Geist erfülltes Wesen Spuren hinterlassen? Ist es böse, dann wird es entzweien und zerstören. Wenn es gut ist, wie Der - der- tut - was - ihm - gefällt, dann erschafft es Neues. Und ist es wie du und ich – von beidem ein bisschen –, dann verändert es auf seine Weise die Welt. Niemand, der in unser Universum geboren wird, verlässt es wieder, ohne etwas zu hinterlassen. Wer allerdings engstirnig ist, wie manchmal unser St e uermann, der sieht das Offensichtliche nicht, weil er es nicht sehen will.«
    »Soll das heißen, Olams Insel zeigt sich nur denen, die an sie glauben?«
    »Ja.«
    »Dann werde ich sie wohl niemals erblicken.«
    »Meine Antwort war eher bildlich gemeint. Man findet, was man sucht, und wonach man nicht sucht, das wird man selten
     
    finden. Permund mag sich auf dem Sternenspiegel umgesehen haben, aber das reicht nicht. Olams Insel erscheint nur bei Neumond, weil einzig das schwache Licht der Sterne sie für wenige Stunden an unsere Welt zu binden vermag. Für ein Schiff ist es unmöglich, ihre Gestade anzulaufen.«
    »Und wie sollen wir dann dorthin gelangen?«
    »Über eine für Menschen unsichtbare Brücke.«
    »Ich denke, dem Glaubenden offenbart sich das Verborgene.« Múria überhörte die Spitze und erwiderte lächelnd: »Nur im Spiegelbild zeigt sich das Unsichtbare: Für einen Sirilo erscheint der Steg im Wasser.«
    »Irgendwie beruhigt mich das nicht.«
    »Hast du vergessen, wessen Blut in deinen Adern fließt?«
    »Nein. Dasjenige Torlunds des Fri e dsamen. Eines Menschen,  der für seine Überzeugung ermordet wurde.«
    Múria lachte unvermittelt. »Jetzt markiere bitte nicht den Dummkopf, mein Lieber. Du hast die Meerschaumkönigin – ein ganzes Schiff! – in eine andere Falte unserer Welt umgelenkt. Die Kraft dazu verdankst du dem Blut Vanias und ihrer Ahnen. Glaube mir, diese Macht wird dir auch die Brücke zeigen.«
    Auf den frommen Seemannswunsch, immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel zu haben, wollte sich Bombo nicht verlassen. Als daher der Lotgast am späten Vormittag eine kritische Tiefe von anderthalb Faden meldete, gab der Kapitän Befehl zum Ankerwerfen. Die Seskwin wurde vom Ufer aus mithilfe von Tauen in den Schatten eines großen Baumes verholt. Dieser duckte sich seinerseits unter einen vorspringenden Felsen, der einem riesigen Daumen glich. Aus der Luft würde sie dadurch kaum zu entdecken sein.   
    Permund hatte diese Entwicklung ziemlich genau vorhergesehen. Daher war man vorbereitet.
    »Jetzt heißt es, in die Schaluppe umsteigen«, sagte Bombo zu den an Deck versammelten Gefährten und zum Steuermann.
    »Ich bleibe an Bord«, antwortete dieser.
    »Aber du kennst dich in der Gegend doch am besten aus.«
    »Ich habe dir alles gesagt, was du über den Rest des Weges wissen musst. Auch von den Schrecken der Namenlos en Sümpfe habe ich dir erzählt.«
    »Aber nur du bist am Sternenspiegel gewesen, oder etwa nicht?«
    »Bin ich. Und den Sümpfen nur mit knapper Not entronnen. Ich gehe kein zweites Mal da

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