Mirad 01 - Das gespiegelte Herz
drei, vier kraftvollen Zügen war er wieder bei der Schaluppe und hielt sich am Dollbord fest.
»Und?«, fragte Bombo ungeduldig. »Immer noch keine Spuren?«
»Nein«, antwortete der junge Seemann.
»Ist ja nur eine Idee gewesen«, wiegelte Twikus ab. Ihm war die ganze Aufregung mehr als unangenehm. Die Strapazen und Enttäuschungen der vergangenen Tage hatten ohnehin alle reizbar gemacht und nun musste ausgerechnet er mit seiner unbedachten Äußerung das Fass zum Überlaufen bringen.
Bombo blitzte ihn an. »Hatte ich schon erwähnt, wie scheußlich ich Eure Phantasie finde, Hoheit?«
»Ja. Aber es hätte doch sein können, dass…«
»Hätte, könnte, würde – ist es aber nicht«, zischte der Kommandant.
»Zügelt Euch, Kapitän«, wies Múria ihn zurecht. »Wenn Permund ein Verräter ist, spielt es letztlich keine Rolle, ob die Seskwin zerstört oder von ihm entführt wurde. So oder so kommt zu unseren Problemen noch ein ernstes hinzu.«
»Bei allem Respekt, Herrin, aber für mich ist es durchaus ein ›ernstes Problem‹, wenn Würmer mein Schiff gefressen haben.«
»Die Herrin hat Recht«, sagte Dormund. »Unsere Reise zum Sternenspiegel hat länger gedauert als angenommen. Spätestens morgen ist der Proviant aufgebraucht.«
»Ich kann etwas jagen«, erbot sich Twikus.
Múria verdrehte die Augen. »Wenn ihr Männer nicht an Frauen denkt, dann ans Essen. Habt ihr die Waggs vergessen? Sie könnten längst im Stromland einmarschiert sein. In dieser Nussschale kommen wir viel langsamer voran als mit der Seskwin.«
»Außerdem bietet sie weit weniger Schutz, falls ein Pfeilhagel auf uns niedergeht«, merkte Falgon an.
Dormund rieb angestrengt seinen Schädel. »Ich weiß ja nicht, wie das Grondfolk kämpft, aber gegen Brandpfeile oder Felsbrocken könnte auch die Meerschaumkönigin nicht lange standhalten. Vielleicht ist die Schaluppe sogar unauffälliger, sodass wir zwischen den feindlichen Linien hindurchschlüpfen können.«
Twikus nickte. »Ich finde auch, wir sollten das Beste aus unserer Lage machen.«
»Bleibt uns etwas anderes übrig?«, sagte Bombo schicksalsergeben und sah wieder ins Wasser zu seinem Seemann hinab. »Komm an Bord, Jonnin. Wir müssen das Segel s e tzen.«
Nach den Sümpfen war es die erste Nacht an Land. Sie verlief ohne Zwischenfälle. In der Dämmerung hisste Jonnin das Segel und die Meerschaumprinzessin nahm die am vergangenen Abend unterbrochene Fahrt wieder auf.
Der Morgendunst löste sich in den warmen Sonnenstrahlen schnell auf. Erneut begann sich die Landschaft zu verändern. Bald würde der dichte Urwald einer Savanne weichen und diese einer öden Wildnis. Bevor der Wandel jedoch allzu deutlich erkennbar wurde, kehrte Schekira von einem ihrer Erkundungsflüge mit einer aufregenden Nachricht zurück.
»Das Schiff! Ich habe das Schiff gesehen.«
Ergil war ganz benommen, als er das hörte. »Die Meerschaumkönigin?«
Sie rollte die Augen. »Welches denn sonst?«
Ehe er etwas erwidern konnte, sprudelte schon Bom b o vor Fragen über.
»Ankert sie im Fluss? Wie weit ist es noch? Wo steckt Permund?«
»Jein. Ungefähr acht Meilen. Keine Ahnung«, antwortete die Elvin prompt.
Der Kapitän sah sie verwirrt an.
Schekira seufzte ob der Begriffsstutzigkeit ihrer männlichen Begl e iter. »Sie liegt gute acht Meilen von hier am Ufer; mir sind einige Schäden aufgefallen, aber kein Anker. An Deck war niemand zu sehen.«
»Wa s sol l da s heißen?«
»Auf der Seskwin ist es so still, wie es in Ugard und Ogard gewese n ist.«
Dem Kapitän wich schlagartig die Farbe aus dem Gesicht.
»Allmächtiger!«, entfuhr es Falgon. Auch in den Mienen der anderen spiegelte sich der Schrecken.
»Urteilen wir nicht vorschnell«, mahnte Múria einmal mehr und richtete das Wort direkt an die Elvin. »Kleine Schwester, hast d u Skelett e gesehen?«
»Nein.«
»Trotzdem sollten wir herausfinden, ob sich Fiederfische in der Nähe befinden…«
»Hab schon verstanden«, fiel ihr Schekira ins Wort und schwirrte wieder davon.
Bange Gedanken sammelten sich wie dunkle Wolken in den Köpfen der Gefährten, während sie den Fluss hinabsegelten. Was würde sie erwarten, wenn sie den Schoner durchsuchten? Die Gebeine ihrer Kameraden? Oder irgendein anderes Unheil? Als die beiden Masten der Meerschaumkönigin endlich über den Baumkronen auftauchten, wurde die Spannung fast unerträglich. Die Schaluppe nahm eine letzte Flussbiegung.
»Ein Geisterschiff!« Bombos
Weitere Kostenlose Bücher