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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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sie mit seinem Säbel zitternd erwartete, und haben das Urteil ihres Herrn vollstreckt.«
    »Und wo ist meine Mannschaft?« Bombo war anzusehen, wie wenig ihm diese Geschichte schmeckte.
    »Ich vermute, Eure Herren Piraten sind in den Wald geflüchtet, Kapitän.«
    »Euch ist doch klar, dass wir das Schiff ohne die Mannschaft kaum wieder flottbekommen, geschweige denn es nach Norden segel n können.«
    »Dessen bin ich mir bewusst.«
    »Es ist zwar gewagt, aber in diesem Fall sollten wir vielleicht ein Zeichen geben«, schlug Dormund vor. »Rauchwolken oder wen n ih r ei n Hor n habt…«
    »Ein gut gemeinter Vorschlag, lieber Schmied«, unterbrach ihn Múria. »Aber wenn sie so verängstigt sind, wie ich befürchte, dann werden sie sich womöglich nur noch tiefer im Busch verkriechen.«   
    »Meine Männer sind keine Feiglinge, sondern wackere
    Piraten«, protestierte Bombo.
    Die Herrin der Seeigelwarte brauchte ihn nur streng anzusehen, um ihm die Unsinnigkeit seines Einwurfs bewusst zu machen.
    »Ich könnte versuchen sie zu finden.« Der Vorschlag kam nicht etwa, wie man es vermuten könnte, von Schekira, sondern von Twikus.
    Múria hob eine Augenbraue. »Du?« Er zuckte die Achseln. »Ja, ich.«
    »Un d wie?«
    »Mi t Fernsehen.«
    »Se i t wann vermag dein Geist sich zu solchen Höhenflügen aufzuschwingen? Bei unseren Übungen warst du ja eher…«
    »Der Besuch im Palast der Schmetterlinge muss doch einen Sinn gehabt haben«, unterbrach Twikus sie trotzig. »Ergil und ich denken schon tagelang da r über nach. Wir können es nicht beschreiben, aber irgendetwas scheint dort mit uns geschehen zu sein, das…« Er breitete hilflos die Arme aus.
    Múria nickte. »Probieren können wir’s. Es würde Schekira viel Herumfliegerei ersparen.«
    Ergil hatte darum gebeten, die Führung zu übernehmen, und Twikus war einverstanden. Der Prinz stand mit Múria am Bug, direkt hinter der geköpften Nixe. Irgendwie empfand Ergil diese an sich sinnlose Zerstörung als persönlichen Angriff. Konnte Wikander gewusst haben, dass er und T w ikus oft hier vorne bei der barbusigen Schönheit gestanden und über ihre Zukunft nachgesonnen hatten? »Bist du bereit?«, fragte Múria. Er drehte sich um und nickte. Das ganze Deck lag jetzt vor  ihnen. Beide schlossen die Augen.
    Múria atmete hörbar ein. »Du musst…«
    »Ich weiß«, unterbrach Ergil sie. Schon beim Kampf gegen Trigas Horde im Großen Alten hatte er die Falten der Zeit durchstoßen. Sicher, damals war es eher eine unbewusste Reaktion gewesen, ein Aufbäumen gegen die Machtlosigkeit, die ihn im Falle e iner Gefangennahme erwartet hätte. In der Gehenna, am Rande der Dinganschlucht, war er schon gezielter vorgegangen und hatte so die wahre Natur der wankenden Brückenpfeiler erkannt. Inzwischen lagen unzählige Unterrichts- und Übungsstunden mit seiner Meisterin hinter ihm. Ebenso die Begegnung mit Olam, von der er sich verändert fühlte, wenngleich er nicht wusste, auf welche Weise. Er musste es versuchen.
    Hinter dem grauroten Vorhang seiner Lider erschien rasch das nun schon vertraute grüne Glühen. Es glich einem Nebel, der sich hier und da zu Linien und Punkten verdichtete. Die Meerschaumkönigin tauchte auf. Ergil sah nicht nur das Oberdeck, sondern er drang gleichsam durch die Planken hindurch zum Zwischendeck und dann immer tiefer hinab bis in die Bilge, wo das Wasser eine Handbreit über dem Kiel stand (er würde den Kapitän später darauf hinweisen müssen).
    »Sehr gut!«, flüsterte Múria; Ergil glaubte, ihre Stimme direkt in seinem Kopf zu hören.
    Nachdem er den Schiffsraum vom Bug bis zum Heck und vom Topp des Großmastes bis zum Kiel durchmessen hatte, ging es an die nächste Disziplin, das Zeitlesen. Ergil verlegte das Zentrum seiner Aufmerksamkeit hierzu in das vordere Mannschaftsquartier, genauer gesagt, zu Permunds Gebeinen. Deutlich sah er die bleichen Knochen vor sich. Aber das war auch schon alles.
    Wieder meldete sich Múrias leise Stimme. »Stell dir vor, du seist ein Fisch. Der Strom der Zeit fließt an deinen Schuppen vorbei. Du brauchst nur mit deinen Flossen zu schlagen und  kannst in ihm flussaufwärts s c hwimmen. In die  Vergangenheit…«
    »Ja!«, hauchte Ergil. Er konnte zwar nichts hören, aber das Bild wurde jetzt deutlicher. Und bunter. So als zöge das Grün andere Farbtöne an. Gleich darauf veränderte sich Permunds Skelett. Sehnen, Muskeln, Haut und Kleidung kehrten mit rasender Geschwindigkeit zurück. Dazwischen

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