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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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entsetzter Ausruf war halb  Flüstern, halb Raunen.
    Die Seskwin schien auf Grund gelaufen zu sein. Sie lag vor dem Westufer fest, ohne von Anker oder Tauen gehalten zu werden. Einige zerfetzte Segel hingen von den Gaffeln und Rahen. Das Tauwerk war weitgehend heil geblieben. Allerdings hatte die Nixe den Kopf verloren. Schlimmer noch als dieser – nicht nur für Bombo – schockierende Anblick war indes die beängstigende Stille auf dem Schiff.
    »Wir müssen herausfinden, was da passiert ist«, sagte Múria. Falgon nickte. »Vielleicht ist noch jemand an Bord.«
    »Fragt sich nur, ob Freund oder Feind.« Dormund suchte auf dem Boden der Schaluppe bereits nach seinem Hammer.
    Auch Twikus bereitete sich auf eine unangenehme Begegnung vor. Er kontrollierte die Schlaufe seines gläsernen Gürtels – sie saß locker genug, um ihn in einem Augenblick in ein Schwert zu verwandeln –, spannte danach seinen Bogen und schnallte zuletzt den Pfeilköcher um.
    Die Schaluppe ging längsseits zur Meerschaumkönigin. Weil keine Strickleiter heruntergelassen war, schleuderte Jonnin in Piratenmanier den Draggen über das Schanzkleid, zog an der Leine, bis sie sich spannte, und kletterte an der Bordw a nd empor.
    »Irgendwas zu sehen da oben?«, rief Bombo.   
    »Hier und da ein paar Blutflecke«, gab der junge Seemann vom Deck zurück.
    »Das gefällt mir nicht«, murmelte Falgon. Seine Faust schloss sich um Biberschwanz’ Griff.
    »Jonnin, das Fallreep«, befahl der Kapitän knapp.
    Die mit Holzsprossen versehene Strickleiter klapperte an den  Planken herab.
    »Sollte noch jemand an Bord sein, dann weiß er spätestens jetzt, dass wir da sind«, brummte Falgon.
    Bombo funkelte Jonnin wütend an und ahmte mit dem Zeigefinger den Vorgang des Kehledurchschneidens nach – ob zur Androhung einer Strafe oder als Mahnung zu absoluter Stille ließ sich nicht klar erkennen.
    Leise und schnell kletterten die Gefährten aufs Schiff.
    Beim Fockmast entdeckte Twikus die besagten Blutflecken. Sie waren bereits getrocknet. Von wem sie stammten – von Piraten oder Angreifern – war ungewiss. Die Beschädigungen an den Aufbauten und in der Takelage sprachen für einen neuerlichen Überfall von Fiederfischen, aber wie ließ sich dann das Verschwinden der Manns c haft erklären?
    »Ob sie unter Deck geflohen sind?« Dormund wartete keine Antwort ab, sondern lief zum Vorschiff, dorthin, wo die Flederfische schon einmal fast ins Zwischendeck eingedrungen waren. Die anderen folgten ihm mit Blicken. Bei dem Oberlicht blieb der Schmied stehen, nickte viel sagend und rief: »Hier sind sie rein. Das Gitter sieht aus, als hätte es jemand mit der Axt zer - … Wartet mal!« Er ließ sich rasch auf die Knie sinken und beugte sich in das Loch hinab. Gleich darauf richtete er den Oberkörper wieder auf. »Da drinnen ist was. Ich kann’s nicht genau erkennen.«
    »Dann lasst uns nachschauen«, schlug Bombo vor. An den Schmied gewandt rief er: »Kommt wieder zurück. Das Oberlicht liegt über dem vorderen Mannschaftsquartier. Wir  müssen durch den Niedergang bei der Kombüse hinuntersteigen.«
    Sie trafen sich hinter dem Fockmast und öffneten die Luke.
    »Ich gehe voran«, entschied Falgon.
    Mit gezücktem Schwert stieg er in den dunklen Bauch der Meerschaumkönigin hinab, schaute noch einmal kurz nach oben und verschwand aus dem Blickfeld der dort wartenden Gefährten. Ein scheinbar endloser Moment der Stille verging.
    Twikus neigte den Kopf zur Seite und flüsterte der Elvin zu:
    »Du lässt dich jetzt ein Weilchen von deiner großen Schwester tragen, Kira. Könnte gl e ich ziemlich ungemütlich werden.«
    Ohne Widerrede wechselte die Prinzessin auf Múrias  Schulter.
    Endlich kehrte Falgons bärtiges Gesicht in den Lukenausschnitt zurück. »Alles ruhig hier unten. Ihr könnt kommen.«
    Während die Gefährten rasch über die steile Treppe ins Innere des Schoners kletterten, befahl der Kapitän Jonnin oben zu bleiben, um Wache zu halten und nötigenfalls Alarm zu schlagen. Als er bei den unten Wartenden ankam, hatte Dormund bereits eine der aufpumpbaren Öllampen angezündet, die das Halbdunkel in die Winkel und Nischen des Zwischendecks zurückdrängte.
    Falgon schlich voran. Twikus folgte dicht hinter ihm, dann Bombo und Múria, Dormund bildete die Nachhut. Bald erreichten sie eine Sperrwand aus waagerechten Planken, hinter der das vordere Mannschaftsquartier lag. Die Tür darin war geschlossen. Falgon legte die Linke auf den Griff, seine

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