Mirad 01 - Das gespiegelte Herz
geschwungen und sich neben Falgon aufgebaut. »Ich gehe mit dir. Schon um zu wissen, ab wann ich meine Haare wieder wachsen lassen kann.«
Múrias Miene hatte den Ausdruck einer wilden Entschlossenheit angenommen. Sie war an die Seite des Waffenmeisters getreten und hatte versichert: »Wo so viel hitzige Torheit versammelt ist, braucht es einen kühlen Verstand. Ich lasse euch nicht im Stich. Weder diese zwei närrischen Recken hier – «, sie hatte auf Falgon und Dormund gedeutet, »noch meine beiden Schüler. Ihr müsst noch so viel lernen. Wer außer mir könnte euch verraten, dass der Großkönig eine Überempfindlichkeit gegen Habichtskraut hat?«
»Woher willst du das wissen?«, hatte Twikus verwirrt gefragt.
»Dein Vater und sein Bruder, Wikander, sind im Abstand von zwei Jahren gebor e n worden. Ich habe dem einen wie dem anderen die Windeln gewechselt. Beide reagierten mit Erstickungsanfällen auf das Mausöhrlein.«
»Sagtest du nicht eben, sie seien gegen Habichtskraut …?«
»Das ist das Gleiche«, hatte Falgon erklärt. »Ein Korbblütengewächs. Eigentlich müsste ich es dir gezeigt haben. Der Volksmund hat viele Namen dafür. Nagelkraut ist ei n anderer.«
Múria hatte genickt. »Wenn ich Krankenbesuche mache oder auf Reisen bin, ist es immer in meinem Gepäck. Man kann einen sanft wirkenden Tee daraus machen, der sich besonders bei kleinen Kindern und alten Leuten eignet, um Entzündungen in Mund und Rachen zu bekämpfen. Oder leichte Durchfälle.«
»Du hast es übrigens auch nicht vertragen«, hatte sich Falgon erinnert.
Die Brauen des Prinzen waren in die Höhe gewandert. »Ich glaube nicht, dass Wikander sich von uns Tee einflößen lässt.«
»Ich habe dieses Beispiel nur erwähnt, um dir meine Unabkömmlichkeit klar zu machen«, hatte ihm Múria mit demselben ausdruckslosen Gesicht entgegnet, hinter dem sie sich auch jetzt verschanzte.
Twikus wandte den Blick wieder nach Norden. Vor ihm blitzte etwas im Sonnenlicht. Seine Augen hakten sich an dem irisierenden Punkt fest, der schnell näher kam und größer wurde. Es war Schekira.
»Schlechte Nachrichten!«, piepste sie aufgeregt und sank schwirrend auf die Schulter des Prinzen herab.
Im Boot hielten alle den Atem an.
Twikus lief es kalt den Rücken hinunter. »Doch nicht etwa Fiederfische…?«
»Nein… Das heißt, ich weiß nicht, was daran schuld ist.«
»Woran, Kira?!«
»Das Schi f f is t nich t meh r da.«
»Vielleicht sind sie ein Stück flussabwärts gesegelt, um… Ach, was weiß ich, aus welchem Grund.«
»Ich bin mindestens zehn Meilen weiter geflogen, aber nirgendwo war eine Spur von der Seskwin z u finden.«
»Meuterei!«, schrie unvermitt e lt Bombo, der wie meistens an der Ruderpinne saß. Alle sahen sich zu ihm um.
Falgons buschige Augenbrauen schoben sich aufeinander zu.
»Wollt Ihr damit andeuten…?«
Der Kapitän war bleich geworden. Er nickte. »Permund. Wahrscheinlich hat er wieder Artikel d re i verdreht.«
»Ich habe ihm von Anfang an nicht über den Weg getraut.«
»Kann ich gut verstehen«, sagte Jonnin.
»Wir sollten ihn nicht kielholen, ehe seine Schuld erwiesen ist«, gab Múria zu bedenken.
»Das stimmt«, murmelte Bombo. Immerhin ging es hier auch um seinen Ruf als Kommandant.
»Könnte…?« Twikus schloss rasch wieder den Mund und schüttelte den Kopf. Der Gedanke war vielleicht doch zu düster.
»Was?«, fragte Múria streng.
»Nichts.« Er zupfte mit Daumen und Zeigefinger an seiner Unterlippe.
»Nun spuck’s schon aus, Junge«, knurrte Falgon.
Der Prinz holte tief Luft. »Ich habe mich nur gerade gefragt, was passiert sein könnte, wenn es an Bord der Meerschaumkönigin einen Spitzel gegeben hätte.«
»Ihr denkt doch an etwas Bestimmtes, nicht wahr?«, hakte Bombo nach.
Twikus benetzte mit der Zunge die Lippen. »Ehrlich gesagt, ja. An ein Tröpfchen Rotgrannenharz, das ins Wasser fällt.«
»Allmächtiger! Eure Phantasie jagt mir einen Schrecken ein. Das würde Permund niemals tun.«
»Und wenn doch?«, fragte Múria.
De r Ka pitän blinzelte benommen. Seine Augen blieben trotzdem glasig. »Dann wären die Schiffsbohrer gekommen. Aus der ganzen Gegend. Das Harz versetzt sie in einen Rausch. Sie stürzen sich auf die Meerschaumkönigin und fressen ihr Holz. Die Taue. Alle Teile pflanzlichen Ursprungs. Sie fressen und fressen. Bis nichts mehr übrig ist.«
Jonnins Kopf schoss aus den grünen Fluten. Glitzernde Wasserperlen spritzten nach allen Seiten. Mit
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