Mirad 01 - Das gespiegelte Herz
brachen die Piraten ohne ihren Kapitän auf, ohne Mirads Hoffnungsträger Ergil und Twikus und ohne die anderen tapferen Gefährten. Es sei eine Schande gewesen, gestand Engwin zerknirscht, aber er und das Häuflein Standhafter hätten auch nicht allein in der Wildnis bleiben wollen.
Kurz nach dem Aufbruch kam dann der Angriff der Fiederfische. Es war ein kleiner Schwarm und die Tiere verhielten sich irgendwie anders. Mit den Männern kämpften sie nur, wenn sie mussten. Sie umkreisten die Seskwin. E s sah aus, als suchten sie etwas Bestimmtes. Dann stürzten sich zwei Tiere mit einem Mal wie von Blutgier getrieben auf das Oberlicht im Vorschiff. Im Nu hatten sie das Gitter zerhäckselt und ungefähr ein halbes D utzend drang ins Zwischendeck ein.
In dem Durcheinander war zunächst niemandem aufgefallen, dass ausgerechnet ihr neuer Anführer sich unter Deck verkrochen hatte. Als er, Engwin, in das vordere Mannschaftsquartier hinabblickte, war es schon zu spät. Permund lebte nicht mehr. Da sei er mit den anderen geflohen, weil er fürchten musste, selbst von den Fiederfischen zerfleischt zu werden.
Dem Bootsmann war anzusehen, wie wenig stolz er auf seine Taten war, aber Bombo tröstete ihn. Er hätte vermutlich genauso gehandelt. Dann ernannte er Engwin zum Steuermann und zu seinem neuen Stellvertreter.
Mittlerweile lagen zwei Tage harter Arbeit hinter ihnen und die Meerschaumkönigin war wieder manövrierfähig. Wer laufen und seine Hände gebrauchen konnte, hatte sich an den Reparaturen beteiligt. Múria half den Geschundenen mit Kräuterpackungen und schmerzlindernden Tränken schnell über den Berg. Ohne lange Erörterungen einigte sich die Gemeinschaft auf das nächste Ziel: Soodland!
Fast zwei Wochen waren vergangen, seit die Meerschaumkönigin ihre Fahrt nach Norden angetreten hatte.
Für die meisten an Bord war es eine fast beschauliche Flussreise gewesen, nicht aber für Ergil und Twikus. Die ihnen noch verbleibende Frist zur »Entfaltung« duldete keinen Müßiggang.
Múria hatte Hoffnung geschöpft. Irgendetwas war mit den Prinzen im Palast der Schmetterlinge geschehen. Sie konnten ihre Macht jetzt besser kontrollieren. Dieser Fortschritt reiche indes noch lange nicht aus, um gegen Wikander anzutreten, hatte sie dem Denker Ergil an einem sonnigen, aber kühlen Morgen schonend beigebracht. Vielleicht könnten er und sein Bruder die Ausbildung doch zu einem guten Ende bringen. Deshalb nehme sie die Zwillinge so hart ran.
Während die beiden an ihrer eigenen Vervollkommnung feilten, behoben andere die restlichen Schäden am Schoner. Nach fünf Tagen hatte der Schiffszimmermann einen neuen Kopf für die Nixe angefertigt. Ihr Gesicht sah einer gewissen Elvenprinzessin auffallend ähnlich. Nachdem das Haupt angepasst war, strahlte sie bezaubernder als je zuvor. Múria meinte spöttisch, es sei doch nur eine Galionsfigur, aber für die Männer ging von dem makellosen Antlitz der barbusigen Schönheit ein Hoffnungsschimmer aus, der sie beflügelte. Auch Ergil und Twikus konnten sich den Reizen der Wasserbewohnerin nicht ganz entziehen.
Je weiter der Schoner in die dichter besiedelten Regionen des Nordens vorstieß, desto augenfälliger wurde die Leere auf dem Groterspund. Wenn man von der Seskwin aus ein anderes Schiff sichtete, dann lag es am Ufer oder an e i nem Kai fest. Von etlichen Seglern ragten nur noch die Masten aus dem Wasser. Unverkennbar hatte es beidseits des Flusses Kämpfe gegeben. Bald säumten verbrannte Dörfer den Weg.
Am Morgen des dreizehnten Tages kehrte eine aufgeregte Schekira vom Erkundung s flug zurück. »Ungefähr zwei Meilen von hier lagert ein riesiges Heer von Waggs«, sprudelte es aus ihr hervor.
Die mittschiffs versammelten Gefährten reagierten betroffen auf die Botschaft. Nicht wenige hatten mit einer solchen Nachricht gerechnet, aber trotzdem gehofft, sich noch am Feind vorbeistehlen zu können.
»Wie groß ist ›riesig‹?«, fragte Falgon.
»Ungefähr zwei mal zwei Meilen.«
Er nickte. »Sehr gut, Prinzessin! Jetzt können wir in etwa abschätzen, wie viele es sind. Konntest du auch herausfinden, wa s si e vorhaben?«
»Ich habe einige ihrer Gespräche belauscht. Offenbar wollen sie in Richtung Bolk vorstoßen.«
»Wir müssen die Stadt unbedingt warnen«, beschloss Bombo.
»Dadurch würden wir aber kostbare Zeit verlieren«, gab Múria zu bedenken.
»Ich will im Hafen ja keine Wurzeln schlagen, Herrin. Aber Qujibo muss Bescheid wissen, um
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